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Ciera schlug ihre Augen auf und starrte an eine ihr unbekannte Decke. Es sah weder nach ihrem Zimmer, noch einer Gefängnisdecke aus.
Sie richtete sich auf und sah ein kleines Zimmer, welches bis auf die ganzen Geräte, die um das Bett herum gestellt waren, ziemlich normal aussah. Nur was waren diese Geräte?
"Kandidat 5195 ist aufgewacht", ertönte eine mechanische Stimme aus einem Lautsprecher an der Decke. Von der plötzlichen Lautstärke überrascht, zuckte sie zusammen und orientierte sich. Dass der Raum relativ dunkel gewesen war, fiel ihr erst auf, als gleißendes Licht sie blendete.
Das letzte, an das Ciera sich erinnerte war die Gerichtsverhandlung, ihr Nicken. Dann absolute Schwärze. Ein Blackout? Und wieso befand sie sich in einer Art Krankenhaus? Gab es einen Anschlag? Hatte Matt sich auf sie gestürzt, nachdem sie ihn beschuldigt hatte?
Eindrücke, Gedankenfetzen, Erinnerungen, Bilder und Gefühle prasselten auf sie ein und ihr wurde schwindelig. Eine neue Erinnerung schob sich in den Vordergrund.
Sie hatte sich schon einmal in diesem Raum befunden. Dort war eine Frau gewesen, die einen Anzug trug und zwei ihr wohl untergestellte Assistenten, die Klemmbretter getragen hatten. "Bist du bereit?", hatte die Frau eine Frage gestellt und Ciera hatte genickt.
Mehr war da nicht. Nur diese eine kleine Erinnerung. Wann war das gewesen? Vor Stunden, vor Tagen, vor Wochen? Absolut kein Zeitgefühl steckte in ihr, keine Fenster im Zimmer, um anzugeben, welche Tageszeit es war. Es war unheimlich, dass sie keine Erinnerungen besaß und sie würde alles daran setzen sie wiederzuerlangen. Denn diese Unwissenheit verängstigte sie.
Gerade als Ciera sich aus dem Bett erheben wollte ging die Tür auf und hinein traten drei Personen. Die Frau aus ihrer Erinnerung war nicht dabei.
Stattdessen wirkten die drei wie Ärzte, mit ihren langen weißen Kitteln und den forschenden Blicken. Was war nur passiert?
"Nur mit der Ruhe. Du kannst dich wahrscheinlich an nichts erinnern. Das ist immer so nach der Entscheidung", versuchte sie der junge Mann mit Nickelbrille ganz rechts zu beruhigen. Warf damit aber nur noch mehr Fragen auf. Welche Entscheidung?
"Du hast deinen Versuch mit 51 Tagen, 17 Stunden, 34 Minuten und 18 Sekunden abgeschlossen. Außergewöhnliches Ergebnis, was du da erzielt hast. Der Rat muss sich noch besprechen", fügte die brünette Frau in der Mitte hinzu und lächelte warmherzig.
Ciera verstand die Welt nicht mehr. Was war los? Sie ließ es aber auf sich beruhen und folgte den dreien auf einen einladenden Wink hin, aus dem Zimmer heraus.
Die Einrichtung schien ziemlich groß zu sein, als Ciera aus dem Zimmer trat eröffnete sich ihr ein faszinierender Anblick. Ein Gang führte hunderte Meter in beide Richtungen, vor ihr erstreckte sich ein Fenster, sogar eher eine Glaswand, mit einem Ausblick auf einen riesigen Innenhof. Ein kleiner Park befand sich dort, ein Café mit Außensitzplätzen, mindestens die Hälfte davon besetzt. An den Wänden der anderen drei Gebäudetrakte rankten sich Schlinggewächse aller Art entlang und trotz der unschätzbaren Größe sah es heimisch aus und Ciera fühlte sich, als hätte sie ihr ganzes Leben hier verbracht.
Die drei Ärzte waren schon einige Meter weiter gelaufen, während sie der Anblick in seinen Bann gerissen hatte und so rannte Ciera hinter ihnen her, den Blick weiterhin nach links - auf den Innenhof - gerichtet.
Als die vermeintlichen Ärzte erneut nach rechts abbogen, war Ciera zugegebenermaßen enttäuscht nicht mehr an der Glaswand entlang zu laufen.
Auf beiden Seiten befanden sich haufenweise Türen, in weiß gehalten, ähnlich wie die Innenwände und so ziemlich der Rest des Gebäudes. Es schien wirklich eine Art Krankenhaus zu sein. Als Ciera an sich herunter blickte, merkte sie, dass sie ebenfalls eine weiße Hose und ein weißes Hemd trug.
Ihre Fragen schob sie beiseite, konzentrierte sich ganz auf das hier und jetzt. Fasziniert, ein wenig eingeschüchtert von der immensen Größe des Gebäudes, schritt sie hinter den drei Ärzten her. Und als sie ein weiteres Fenster entdeckte, welches in die entgegengesetzte Himmelsrichtung zur Glaswand zeigte, stockte ihr der Atem. Sie gab sich Mühe nicht zu straucheln, denn der Ausblick glich weniger der Stadt, in der sie aufgewachsen war, als einer Fantasiewelt, wie sie es sich immer aus Büchern vorgestellt hatte.
Unter ihnen ging es recht steil nach unten, die Einrichtung musste auf einem kleinen Berg erbaut worden sein. Bunte Blumen in den unfassbarsten Farben zierten die reine, gemähte Wiese, ein Weg schlängelte sich hinunter.
Am Fuß des Berges begann das eigentlich umwerfende. Eine Stadt erhob sich unter ihr, eine Stadt, deren anderes Ende man nicht mehr wahrnehmen konnte. Einheitliches weiß überall. Die unterschiedlich hohen Gebäude warfen ihre Schatten auf die Straßen, die gesamte Stadt somit in schwarz und weiß getaucht, sich sehr vom Hintergrund abhebend, der mit der bunten Blumenwiese und dem Abendhimmel ein reines Farbspiel war.
„Wunderschön", hauchte Ciera völlig fasziniert. So etwas hatte sie noch nie gesehen und es würde womöglich bei diesem einen Augenblick bleiben, weswegen sie ihn vollkommen auskosten musste. Ciera nahm die beeindruckende Atmosphäre mit jeder Faser ihres Körpers auf und warf alle Anspannung beiseite. Ob die drei Ärzte auf sie warteten oder nicht, war ihr schlichtweg egal, als sie sich vor die Glasscheibe kniete und ihrem Herzschlag lauschte, der das einzige Geräusch in dieser Welt, ihrer Welt war. Niemand konnte ihr diesen Moment nehmen. Diesen Moment der Ehrfurcht.
Vor Cieras Augen blitzte ein Bild auf, das Bild einer eingeprägten Karte und durch irgendeinen Grund wusste sie, dass es die Karte dieser Stadt vor ihr war. Also war sie doch schon einmal hier gewesen? Aber so etwas würde man doch nicht einfach vergessen. Und wieso kannte sie den Stadtplan auswendig? Fragen über Fragen und keine Antworten.
„Aryn", rief jemand hinter ihr und sie drehte sich von dem unglaublichen Anblick weg. Bevor Ciera realisieren konnte, wer gerufen hatte, legten sich schon zwei Arme um sie und sie wurde in eine feste Umarmung gezogen. „Aryn, Aryn! Wie liefs? Ich hab dich so vermisst", murmelte das Mädchen an ihr Ohr. Irgendwie kam sie ihr bekannt vor, doch sie konnte nicht sagen, woher. Die schwarzen gekräuselten Haare und der ausländische Teint, die raue Stimme und die Ausdrucksweise waren so vertraut.
„Ich heiße Ciera", stellte sie klar.
„Was, nein - ach Aryn, du bist noch in der Nachklingphase, warte, ich helfe dir auf die Sprünge. Aber erst müssen wir zu den anderen."
Voller Energie zog das Mädchen sie mit und widerstandslos folgte Ciera ihr. Anscheinend wollte ihr das Mädchen helfen, wieder an ihre Erinnerungen zu kommen und solange das der Fall war würde sie ihr folgen. Und, weil ihre Intuition ihr sagte, dass sie vertrauenswürdig war.
Eine steile, gewundene Treppe führte sie dutzende Meter hinunter und schließlich kamen sie an einen Gang, dessen Ende offen war. Es führte sie in den Innenhof, kleine Bäume umfingen sie, sobald Ciera einen Schritt an die frische Luft machte. Der Geruch nach Regen, Freiheit und Lebendigkeit ließ sie schneller atmen und wiedereinmal fragte sie sich, wo sie war.
Mit schnellen Schritten waren sie nur in kurzer Zeit bei dem kleinen Café angelangt, das Ciera vorher schon aus dem Fenster betrachtet hatte. Das Mädchen zog sie zielstrebig zu einem Tisch, an dem zufällig noch zwei Plätze frei waren.
"Aryn!", rief ein Junge mit blonden Haaren und einem strahlenden, makellosen Lächeln. Des Weiteren befanden sich noch ein Junge und zwei Mädchen an dem Tisch, alle sichtlich erfreut sie zu sehen.
"Äh hallo. Kennen wir uns?", fragte Ciera, hatte es schon aufgegeben, ihren Namen zu verbessern.
"Sie ist noch in der Nachklingphase", erklärte das Mädchen, welches sie hergebracht hatte und die anderen nickten verständnisvoll.
"Welche Nachklingphase?", fragte Ciera verwirrt.
"Okay, lass uns es dir Stück für Stück erklären. Ich bin Tiéne. Du wirst dich hoffentlich bald wieder an mich erinnern."
Tiéne. Der Name passte zu ihr und wundersamerweise fügten sich direkt Erinnerungen mit ihr in Cieras Gehirn ein. Innerhalb Sekunden hätte sie ihren gesamten Charakter beschreiben, gemeinsame Erlebnisse und Erinnerungen aufzählen können, obwohl sie Tiéne gar nicht kannte.
"Ich bin Raisk", stellte sich der blondhaarige Junge vor, "Und du kannst dich wirklich an nichts mehr erinnern? Das ist so irreal."
"Doch. An den Unfall, den Abend am Hafen, danach bei Matt, die Gerichtsverhandlung. Aber danach nichts. Wo bin ich hier, was ist passiert und woher kennen wir uns?"
Ciera fühlte sich wohl hier, als wäre sie ein Teil einer Gruppe, die sich schon ewig kannte. Aber ihr Gefühl musste sich täuschen.
"Ach Aryn. Du wirst das alles noch verstehen", meinte Tiéne, doch Ciera unterbrach sie: "Was soll ich denn verstehen?" Verwirrung und Hilflosigkeit mischten sich in ihre Gefühle. Dieses Unwissen trieb sie in den Wahnsinn.
"Warte, gleich. Wo ist denn Jared?", erwiderte Raisk.
Jared. So wie bei Tiéne und Raisk bildeten sich Bilder in Cieras Kopf, die nach und nach eine Geschichte erzählten. Die gemeinsame Geschichte zwischen ihr und der Person. Ein Schauer fuhr Ciera über den Rücken. Die Bilder, die sie von Jared im Kopf hatte, entsprachen exakt dem Aussehen und dem Charakter von Matt.
"Jared?", Cieras Hände begannen aus unerfindlichen Gründen an zu schwitzen.
"Ja, Jared. Du wirst dich doch wohl an ihn, zumindest an ihn erinnern. Der, der wegen dir, mit dir, in die virtuelle Realität gegangen ist, erinnerst du dich?"
{1505 Wörter}
×××
Ich wollte ne überraschende Wendung einbauen, also here it is (;
Hoffe das alles ist nicht zu verwirrend, es wird bald alles aufgeklärt.
Nach einer langen Pause geht es dann auch mal weiter, auch wenn ich nicht sagen kann inwiefern ich jetzt regelmäßig update
Hoffe es hat euch gefallen (:
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