Kapitel 15: Schwerter - Teil 2
Als Jhe Newin in Begleitung von Zen Ramka den vierten Stock der Gämsen-Pagode betrat, war seine Laune die schlechteste seit einer sehr langen Zeit. Wenn eine solche Versammlung stattfand, wie es sie heute geben würde, hielt er sich normalerweise eher zurück und hörte den Gilden-Anführern beim Diskutieren zu, doch die Atmosphäre, die ihn dieses Mal umgab, sagte das genaue Gegenteil. Die Diener, die noch die letzten Vorbereitungen trafen und Essen und Trinken auf den Tischen in der Versammlungshalle platzierten, flohen sofort in alle Richtungen, die ängstlichen Blicke auf die zwei Schwerter an seinem Gürtel gerichtet.
Eine Versammlungshalle war etwas, was jede Gilde, die etwas auf sich hielt, um jeden Preis in ihrem Wohnsitz hatte. Manchmal hatte sie noch einen eigenen Namen, aber meistens wurde sie einfach nur allgemein ›Versammlungshalle‹ genannt, denn sie war immer gleich aufgebaut. Es gab einen breiten Gang, der zum hinteren Teil führte, welcher manchmal durch eine kleine Treppe höher gelegen war. Dort stand der Tisch, an dem die Gilden-Anführer saßen und eventuell noch ein paar weitere für wichtige Personen. Links und rechts des Ganges befanden sich dann die Tische für die weiteren Anhänger der Gilde und die Gäste. Dabei galt: Je näher man dem Tisch der Gilden-Anführer war, desto besser war das Verhältnis mit ihnen und desto mehr Respekt wurde einem erwiesen.
Im Fall der Gämsen-Pagode befand die besagte Versammlungshalle sich im vierten Stock, hatte aber keinen besonderen Namen außer dieser allgemeinen Bezeichnung. Vor dem hintersten Tisch hatten sich bereits die drei anderen Meister versammelt. Meisterin Zha fächerte sich mit Windspiel Luft zu, wobei ihre Bewegungen schneller wurden, je näher Jhe Newin kam. Als würden die Luftstöße seine düstere Ausstrahlung vertreiben.
»Ich habe nicht vor, weiter hier rum zu sitzen, während die Schüler des dritten Jahres draußen jederzeit erneut auf eure sogenannten Räuber stoßen können«, sagte Jhe Newin kalt und blieb vor den drei Meistern stehen. »Rin Raelin ist schwer verletzt worden und es ist nur Rin Verran zu verdanken, dass er überlebt hat. Wären sie nur ein wenig unaufmerksamer gewesen, könnten sie jetzt schon tief unter der Erde liegen. Hinzu kommt die Tatsache, dass sie wahrscheinlich mit eigenen Augen gesehen haben, wie die Waldarbeiter bei lebendigem Leibe verbrannt sind. Ganz zu schweigen von den vier angeblichen Räubern, die ohne eine Schramme entkommen sind.«
»Du denkst also immer noch, dass es die Drachenklauen sind?«, fragte Val Zirro und legte nachdenklich die Stirn in Falten.
»Es ist unwichtig, wer sie sind«, entgegnete Jhe Newin kühl. »Fakt ist, dass sie eine größere Bedrohung darstellen als ihr alle«, er deutete nacheinander mit dem Finger auf jeden der Meister, »angenommen habt. Das muss aufhören.«
»Er hat recht«, meldete Val Erjan sich zu Wort. »Was Rin Raelin und Rin Verran in ihrer Nachricht geschrieben haben, hat sich ernst angehört.« Er zögerte kurz. »Ich bin mir sicher, Ghan Kedron wird sich dem auf jeden Fall anschließen. Immerhin befand sich das Waldlager im Rotkiefer-Hain, der noch zu seinem Territorium gehört. Und Ghan Idos ist bestimmt auch in dieser Gegend unterwegs.«
Val Zirros Falten vertieften sich noch weiter und er strich sich über den Bart. »Wir werden sehen, was er sagt, sobald er und die anderen Gilden-Anführer ankommen.« Er bedeutete den drei Meistern, sich an den Tisch der Gastgeber zu setzen, während sie auf die Ankunft ihrer Besucher warteten.
»Meister Jhe«, flüsterte Zen Ramka ihm zu, nachdem sie sich neben ihm niedergelassen hatte. Er war der einzige unter den Meistern der Val-Gilde, der seine Dienerin zu diesem Treffen mitgebracht hatte, was sie als Zeichen seines Vertrauens in sie sah. Also hatte sie ihn mit der Frage über die Drachenklauen wohl doch nicht so stark verärgert wie sie zunächst angenommen hatte.
Mit einem Nicken bedeutete er ihr, fortzufahren.
»Wie... stark...« Sie versuchte, die richtigen Worte zu finden, was ihr jedoch nicht gelang, sodass sie schließlich einfach nur fragte: »Wie stark werden die anderen heute zur Schnecke gemacht?«
»Sie werden nicht zur Schnecke gemacht«, antwortete er mit einem Ton, bei dem sie Gänsehaut bekam. »Sie sind es schon.«
Es dauerte nicht lange, bis die Gilden-Anführer einer nach dem anderen eintrafen. Ghan Kedron war der erste, den Kopf stolz erhoben und gekleidet in das Grau und Schwarz seiner Gilde. Darüber trug er einen prächtigen Mantel, den er selbst dann nicht abnahm, als er sich auf seinen Platz setzte. Nicht umsonst wurde er auch ›Schwarzer Pfau‹ genannt – stolz und prächtig, aber auf eine dunkle Art und Weise. Begleitet wurde er nur von zwei Männern, die seine Leibwächter zu sein schienen.
Rin Baleron und Dul Nehmon, die Anführer der Rin- und der Dul-Gilde, trafen zusammen ein. Anscheinend hatten sie zuvor noch etwas besprochen, denn nach der Begrüßung setzten sie sich auf zwei nebeneinander liegende Plätze und redeten weiter. Zen Ramka bemerkte, wie Jhe Newin die Hände unter dem Tisch zu Fäusten ballte und schaute schnell weg in der Hoffnung, er hatte nicht mitbekommen, dass sie es gesehen hatte.
Als letzter traf Mahr Hefay ein, der sie auf eine unheimliche Art und Weise an Mahr Xero erinnerte, der, wenn sie es richtig mitbekommen hatte, in Richtung Schneeveilchen-Klamm verschwunden war, um dort seine Kampffähigkeiten weiter zu verbessern. Auch er trug einen Mantel, der dem von Ghan Kedron unheimlich ähnlich war, aber sie wagte nicht, Jhe Newin danach zu fragen.
»Ich danke euch allen, dass ihr gekommen seid«, sagte Val Zirro schließlich, stand auf und nickte allen Anwesenden zu. »Ich habe in meiner Nachricht an euch bereits geschrieben, worum es geht. Die Räuber sind wieder aufgetaucht und bedrohen weiterhin all unsere Territorien. Statt sie von einem Ort zum anderen zu jagen, sollten wir uns zusammenschließen und sie gemeinsam auslöschen.«
»Wenn ich es richtig verstanden habe«, erhob Dul Nehmon die Stimme, »besteht die Vermutung, dass es nicht nur einfache Räuber sein könnten. In Euer Nachricht habt Ihr erwähnt, dass beobachtet wurde, wie sie Kampftechniken benutzt haben, die nur in der Gämsen-Pagode gelehrt werden. Wie ist das möglich?«
»Es wäre nicht das erste Mal, dass ehemalige Schüler auf den krummen Weg geraten«, bemerkte Ghan Kedron. »Ich sehe nicht, was daran so besonders sein sollte.«
»Und das sagt ausgerechnet Ihr?« Dul Nehmon schaute den Anführer der Ghan-Gilde nicht mal an. »War es nicht ein Arbeiterlager auf Eurem Territorium, das niedergebrannt wurde?«
»Es liegt nicht mal in der Nähe des Krähen-Palastes! Warum sollte ich mir Sorgen machen?«
Dieses Mal wandte Dul Nehmon sich ihm zu. »Ist Euer Sohn nicht dort in der Nähe unterwegs? Macht Ihr Euch keine Sorgen, dass er den Räubern in die Hände fallen könnte?«
»Ghan Idos ist stärker als so mancher anderer in seinem Alter«, behauptete Ghan Kedron und schien das Gespräch damit zu beenden.
Stattdessen ergriff Rin Baleron das Wort und wandte sich an Val Zirro: »Ihr wollt also, dass wir uns zusammenschließen, um diese Räuber zu bekämpfen? Fünf Gilden gegen ungefähr fünf Räuber. Ist das nicht etwas zu übertrieben?«
»Wenn Eure Leute es damals geschafft hätten, die Räuber nicht nur von Eurem Territorium zu vertreiben, sondern sie auch gefangen zu nehmen und hinzurichten, müssten wir jetzt gar nicht zu solchen Maßnahmen greifen«, ertönte plötzlich die kalte Stimme von Jhe Newin. Er stand von seinem Platz auf und starrte Rin Baleron finster an. »Es lag vor zwei Jahren in Eurer Verantwortung, das alles zu beenden, aber Ihr habt es nicht getan.«
Rin Balerons Augen schossen Blitze. »Warum wird die Schuld jetzt auf mich geschoben? Der erste Angriff fand gar nicht auf meinem Territorium statt!«
»Es ist doch vollkommen unwichtig, was früher passiert ist«, mischte Zha Denja sich ein, in der Hoffnung, den drohenden Streit zu verhindern. »Wichtig ist, was wir jetzt tun sollen.«
»Offenbar ja Jagd auf ein paar Räuber machen«, sagte Ghan Kedron mit verächtlichem Unterton. »Ehrlich gesagt hat die Ghan-Gilde Besseres zu tun.«
»Menschenleben stehen auf dem Spiel.« Dul Nehmon trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Sagt nicht, das ist Euch egal.«
Ghan Kedron knirschte mit den Zähnen. »Natürlich nicht. Trotzdem habe ich nicht vor, mit einer ganzen Horde von Erzwächtern hinter irgendwelchen schwarzen Schafen der Gämsen-Pagode her zu jagen. Wer weiß, ob diese zwei Schüler überhaupt die Wahrheit gesagt haben? Vielleicht haben sie sich nur ausgedacht, dass diese Räuber so gut kämpfen, um nicht als hoffnungslose Verlierer dazustehen.«
»Habt Ihr meine Söhne eben als Lügner bezeichnet?«, donnerte Rin Baleron und erhob sich so schnell von seinem Platz, dass der Stuhl fast nach hinten umfiel.
»Ich habe nur eine Möglichkeit genannt«, sagte Ghan Kedron unbeeindruckt.
»Solange wird nichts mit Sicherheit wissen, bringen solche Vermutungen auch nichts«, meinte Dul Nehmon und trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Ich sehe ehrlich gesagt nichts, was gegen einen Zusammenschluss unserer fünf Gilden spricht. Ob übertrieben oder nicht kann jeder für sich selbst entscheiden. Aber unsere Mission wird auf jeden Fall erfolgreich sein, wenn wir zusammenarbeiten.«
»Zusammenarbeiten ist gut«, ertönte Mahr Hefays gelangweilte Stimme von der gegenüber liegenden Seite. »Ich werde einige meiner Erzwächter hierher schicken.«
»Ich auch«, verkündete Rin Baleron und schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Dem schließe ich mich an«, sagte Dul Nehmon und schaute hinüber zu Ghan Kedron, der unwillig mit den Zähnen knirschte.
»Nun gut«, gab er schließlich nach. »Auch ich werde euch Erzwächter schicken. Fünf sollten reichen, oder?«
Zen Ramka fürchtete schon, Jhe Newin würde seine Schwerter ziehen und den Tisch vor sich zu Kleinholz verarbeiten, aber zum Glück tat er das nicht. Er starrte Ghan Kedron einfach nur finster an.
»Ich fürchte, Ihr versteht den Ernst der Lage nicht«, sagte er kalt. »Erinnert ihr Euch nicht an die Drachenklauen, die vor etwa achtzehn Jahren gewütet haben? Selbst wenn es sie wirklich nicht mehr gibt: Diese Räuber sind mindestens genauso gefährlich. Sie brennen Dörfer nieder, gehen dabei aber so unvorhersehbar und unstrukturiert vor, dass wir nie wissen, wo sie als nächstes auftauchen. Die Menschen leben in Angst und damit meine ich nicht nur die Schüler – eure Kinder, die gerade dort draußen umher ziehen –, sondern auch die Menschen überall in den Städten und Dörfern. Sie wissen nicht, ob es sie vielleicht als nächstes erwischt. Sie verlieren ihre Häuser, ihre Familie, ihre Freunde, alles, was sie haben. Und wir wissen immer noch nicht, was überhaupt das Ziel dieser Räuber ist!« Er atmete tief durch. »Gilden-Anführer Ghan, die Menschen auf Eurem Territorium werden nicht gerne hören, dass Ihr Euch geweigert habt, mehr als fünf Erzwächter zu ihrem Schutz bereit zu stellen.«
Ghan Kedron funkelte Jhe Newin wütend an und knirschte mit den Zähnen. »Ist das eine Drohung?«
»Es ist ein Fakt«, erwiderte Jhe Newin kalt. »Die Menschen werden es so oder so erfahren. Ich weiß, dass Euch Euer Ruf so ziemlich egal ist, aber Ihr müsst bedenken, dass einige vielleicht die Idee bekommen könnten, Euch wegen so einer Entscheidung zu ersetzen.«
Es war Ghan Kedron anzusehen, dass er am liebsten schimpfen und fluchen würde, aber er hielt sich zurück. Stattdessen zwang er sich ein Lächeln auf seine Lippen. »Dann werde ich euch mit Freuden so viele Erzwächter schicken wie ich entbehren kann.« Mit diesen Worten standen er und seine zwei Begleiter auf und stolzierten erhobenen Hauptes aus dem Versammlungsraum.
»Er war schon immer schwer zu überzeugen«, kommentierte Dul Nehmon und erhob sich ebenfalls. »Meine Erzwächter werden in etwa zwei Wochen hier sein. Ich werde jetzt aufbrechen, um rechtzeitig zurück im Forellen-Pavillon zu sein.« Er verbeugte sich in Richtung der vier Meister der Val-Gilde und ging davon, dicht gefolgt von Rin Baleron und Mahr Hefay.
»Warum hat ausgerechnet Ghan Kedron sich geweigert?«, fragte Zha Denja, sobald die Gilden-Anführer die Gämsen-Pagode verlassen hatten. »Das Arbeiterlager liegt doch auf seinem Territorium.«
»Vermutlich werden wir das herausfinden, sobald wir dort sind«, sagte Jhe Newin. »Immerhin müssen wir zuerst dorthin, um in den Ruinen nach möglichen Hinweisen dafür zu suchen, was die Räuber dort gewollt haben.«
»Du wirst als einziger von uns wirklich aufbrechen können«, gab Val Zirro zu Bedenken und strich sich über den Bart. »Wir anderen haben Schüler hier, um die wir uns kümmern müssen.«
»Ich gehe mit ihm«, verkündete Val Erjan auf einmal und stand auf. »Meine Schüler können zwischen dir und Zha Denja aufgeteilt werden.«
Sein Bruder nickte zustimmend, bevor er sich wieder an Jhe Newin wandte. »Sei vorsichtig, was du sagst und tust. Die Art, wie du eben mit Ghan Kedron geredet hast, wird ihm nicht gefallen haben. Mach dir nicht zu viele Feinde.«
Einen Monat später blickten Jhe Newin und Val Erjan auf die verbrannten Holzhütten des Arbeiterlagers im Rotkiefer-Hain. Die Wände und Dächer waren schwarz verkohlt und an einer Stelle schien etwas so heftig explodiert zu sein, dass selbst das Gras auf der Lichtung verbrannt war. Wenigstens waren ein paar Anhänger der Ghan-Gilde schon vorher hier gewesen und hatten das, was von den Leichen der Waldarbeiter übrig geblieben war, zusammengesucht und zu den betroffenen Familien gebracht. Eigentlich hätten Jhe Newin und Val Erjan gar nicht hier sein dürfen. Ihre Gruppe, die größtenteils aus Anhängern der Zen-Gilde vom Echsen-Tempel und freiwilligen Helfern aus den umliegenden Dörfern bestand, sollte beide Seiten des nördlichen Ufers des Knochenbrechers überwachen. Ghan Kedron hatte ihnen verboten, die Ruinen dieses Lagers zu untersuchen. Doch genau deswegen hatten sie sich trotzdem hierher geschlichen.
»So ein heftiges Feuer«, sagte Val Erjan bedrückt. »Es ist lange her, dass ich sowas gesehen habe. Genauer gesagt...« Er stockte kurz. »Achtzehn Jahre.«
»Die Zeit, zu der die Drachenklauen ihr Unwesen getrieben haben«, bestätigte Jhe Newin. »Glaubst du mir jetzt?«
Val Erjan nickte. Er folgte Jhe Newin, während dieser die verbrannte Grasfläche betrat und auf das Haus zuging, das anscheinend explodiert war. Dort betrachtete er eingehend die Wände, die kaum mehr zu erkennenden Möbel und Werkzeuge und den Boden. An einigen Stellen stampfte er mit dem Fuß auf, wahrscheinlich auf der Suche nach einem geheimen Keller, aber er wurde nicht fündig. Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich je mehr Zeit verging. Schließlich verließ er die Hütte wieder und betrat die nächste.
»Was suchen wir eigentlich?«, fragte Val Erjan.
»Antworten auf folgende Fragen«, sagte Jhe Newin und führte hier die gleiche Prozedur durch, während er aufzählte: »Erstens: Warum möchte Ghan Kedron nicht, dass wir dieses Lager untersuchen? Wahrscheinlich werden wir die Antwort hierauf allerdings nicht mehr finden. Es sieht so aus, als hätten die Anhänger der Ghan-Gilde vorsichtshalber schon alles entfernt, was uns einen Hinweis geben könnte. Offenbar hat er erwartet, dass wir hier vorbeikommen. Zweitens: Was wollen die Drachenklauen? Was ist so besonders an diesem Lager, dass sie es angegriffen und niedergebrannt haben? Zuvor haben sie sich nur auf Dörfer beschränkt, wobei ich mich ebenfalls frage, nach welchen Kriterien sie ihre Ziele auswählen. Ich sehe überhaupt keinen Zusammenhang. Drittens: Wer verbirgt sich hinter den Drachenklauen und wo kommen sie her? Und viertens: Warum haben sie all die Jahre geschwiegen, nur, um jetzt wieder aufzutauchen?«
»Ziemlich viele Fragen«, meinte Val Erjan und schaute zum Himmel, an dem bereits der erste Schimmer der aufgehenden Sonne zu sehen war. »Wir sollten besser gehen, bevor jemand von der Ghan-Gilde hier vorbei kommt und uns entdeckt.«
»Du hast recht.« Jhe Newin trat mit einem unzufriedenen Gesichtsausdruck aus der Hütte heraus. »Hier werden wir keine Hinweise mehr finden. Aber wir sollten Val Zirro auf jeden Fall Bescheid sagen, dass es wirklich die Drachenklauen sind. Niemand sonst kann ein so heftiges Feuer entfachen.« Er deutete zu den umliegenden Bäumen, deren Rinde schwarz verkohlt war. »Es hat sogar weitergebrannt, als es in Strömen geregnet hat.«
»Was denkst du, wird Zirro tun, wenn er weiß, dass es wirklich die Drachenklauen sind?«, fragte Val Erjan und folgte Jhe Newin zurück in den dichten Wald des Rotkiefer-Hains.
»Warum fragst du mich das? Du bist sein Bruder.« Nach einer Pause antwortete er trotzdem: »Vermutlich wird er wieder eine Versammlung einberufen, um mit den Gilden-Anführern darüber zu reden.«
»Wirst du dieses Mal auch etwas vorschlagen?«
Es dauerte eine Weile, bis Jhe Newin etwas erwiderte: »Wir können nicht ewig durch die Territorien ziehen und darauf hoffen, den Drachenklauen zufällig zu begegnen. Dafür verstecken sie sich zu gut. Das kostet nur unsere Zeit und Kraft. Ich werde fordern, dass jede Gilde mindestens zwei ihrer Anhänger zu den Dörfern und Städten schickt, um diese im Falle eines Angriffs zu beschützen und Hilfe zu holen. Irgendwann werden die Drachenklauen sich schon verraten.«
Wie erwartet rief Val Zirro, sobald er die Nachricht erhielt, eine weitere Versammlung in der Gämsen-Pagode zusammen. Es brauchte so einige scharfe Worte, um auch Ghan Kedron von diesem Plan zu überzeugen, aber schließlich stimmte er ebenfalls zu. Woher die Val-Gilde erfahren hatte, dass es nun tatsächlich die Drachenklauen waren, die für dieses Chaos sorgten, wurde offiziell nicht gesagt, doch die Blicke, die Jhe Newin zugeworfen wurden, waren doch recht eindeutig. Bald wurde jedes Dorf und jede Stadt zusätzlich zu den üblichen oder vielleicht auch gar nicht vorhandenen Kriegern von mehreren Erzwächtern der Gilde bewacht, auf deren Territorium es oder sie sich befand. Zu jedermanns Freude ließen die Drachenklauen sich nun auch nicht mehr blicken. Es schien fast, als wären sie erneut wie vom Erdboden verschluckt. Trotzdem ließ die Wachsamkeit der Menschen nicht nach.
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Mal ein etwas anderes Kapitel ohne Rin Verran, das Jhe Newins Handlungen verfolgt, aber nicht aus seiner Sicht geschrieben ist XD Und ihr habt erstmals die Gilden-Anführer der anderen vier mächtigsten Gilden kennengelernt: Ghan Kedron, Rin Baleron, Dul Nehmon und Mahr Hefay. Die fünfte mächtigste Gilde ist natürlich die Val-Gilde :)
Wie findet ihr die Gilden-Anführer so? Wer erscheint euch sympathisch und wer nicht? Ich kann fast schon wetten, dass ich eure Antworten vorhersagen kann, haha XD
Und erstmals hat sich bestätigt, dass die Räuber scheinbar wirklich die Drachenklauen sind. Aber was sind die Antworten auf die ganzen Fragen, die Jhe Newin sich gestellt hat? Und was ist so wichtig an diesem Waldlager gewesen, dass Ghan Kedron verboten hat, dorthin zu gehen, und es sogar noch »aufgeräumt« hat?
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