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Kapitel 32: Feuer - Teil 2

Wrun Tarebo hatte sich kein Bisschen verändert seit Rin Verran ihn das letzte Mal beim Zatos gesehen hatte. Er war immer noch als Feuerwächter in Kothar stationiert und begrüßte Rin Verran und die Erzwächter, die Dul Nehmon ihm mitgegeben hatte, mit einem knappen Kopfnicken, während sie von ihren Pferden abgestiegen.

»Keine Drachenklauen?«, fragte Paat Jero, einer der engsten Vertrauten von Dul Nehmon. Er war in etwa so alt wie der Gilden-Anführer. Wahrscheinlich waren sie früher zusammen in der Gämsen-Pagode gewesen und Rin Verran hatte auch gehört, dass Paat Jero der allererste Schüler von Meister Jhe war. Trotz seines Alters – und des Einflusses seines Meisters – war er jedoch meistens gut gelaunt und machte andauernd Späße, die nicht alle verstanden.

»Alles ruhig«, antwortete Wrun Tarebo und warf einen Blick auf die Truppe aus zwanzig Anhängern der Dul-Gilde. »Ich weiß wirklich nicht, warum so viele von euch gekommen sind. Kothar ist nur ein kleines Dorf und hat auch nur drei Feuerwächter.«

»Umso besser«, meinte Paat Jero lachend. »Dann haben wir mehr Zeit, uns zu entspannen! Wo ist das nächste Wirtshaus? Lasst uns einen trinken gehen und Karten spielen! Kennt Ihr die Regeln zu ›Vierer-Raben‹? Bestimmt kennt Ihr die!«

Rin Verran beobachtete leicht belustigt, wie Paat Jero Wrun Tarebo und einem seiner Feuerwächter-Kollegen jeweils einen Arm und die Schultern legte und mit ihnen die Straße hinunter verschwand. Wie erwartet folgte der Großteil der anderen Erzwächter ihm und am Ende blieben nur er selbst und ein junger Mann zurück, dem alle die Zügel ihrer Pferde in die Hände gedrückt hatten. Rin Verran kannte nicht mal seinen Namen.

»Wir werden in diesem Gasthaus dort unterkommen«, sagte Rin Verran an den jungen Mann gewandt. »Es sollten genug Zimmer mit Betten frei sein. Die Pferde könnt Ihr dem Stallburschen geben.«

»Ja, Herr«, antwortete der Mann eifrig, nahm auch die Zügel von Rin Verrans Hengst entgegen und verschwand in der Dunkelheit. Sie waren erst am Abend in Kothar angekommen, aber Rin Verran war überhaupt nicht müde. Auf Paat Jeros Bitte hatten sie auf ihrem Weg hierher in mehreren anderen Dörfern Halt gemacht, wo er sich mit seinen Kumpanen betrunken und Karten gespielt hatte. Entsprechend lange hatten sie alle dann am nächsten Tag geschlafen. Rin Verran hatte dabei nicht mitgemacht. Das Erlebnis während seiner Hochzeit war ihm eine Lehre genug gewesen.

»Herr Rin, werdet Ihr auch ins Wirtshaus gehen?«, erklang die Stimme des jungen Mannes vom Eingang des Stalls her.

»Nein«, entgegnete er. Er wollte gerade noch hinzufügen, dass er ihn bitte nicht ›Herr Rin‹ nennen sollte, weil es sich wie ›Herrin‹ anhörte und das scheiße klang, aber bei dem aufgeregten Blick des Mannes hielt er sich zurück. »Aber wenn Ihr wollt, könnt Ihr gerne ins Wirtshaus gehen. Ich halte Euch nicht auf«, sagte er etwas freundlicher.

»Danke!« Der Mann nahm die Beine in die Hand und sprintete zum Wirtshaus, aus dem bereits lautes Gelächter und leicht angetrunkener Gesang kam. Kurz stieg die Lautstärke an, als die Tür geöffnet wurde, wurde aber schnell gedämpft, als sie erneut zufiel.

Rin Verran seufzte und sah sich um. Er war tatsächlich der einzige, der auf der Straße war. Die Bewohner des Dorfes hatten sich wahrscheinlich bereits zu Bett begeben, um morgen früh aufstehen zu können. Der Rest feierte die Ankunft der Verstärkung aus der Dul-Gilde.

An den Hauswänden waren alle paar Schritte Laternen aufgehängt, die ein flackerndes Licht auf das Pflaster warfen. Die Steine waren neu. Als er hier Habichtfeder geschmiedet hatte, war der Boden nur ein gestreuter Pfad gewesen. Ob es die Schmiede noch gab? Aber bestimmt war sie mittlerweile schon lange geschlossen. Gedankenverloren zupfte er den Stoff des Umhangs zurecht und schloss die Augen.

War es ein Fehler, ihn grün zu färben?, überlegte er. Aber bestimmt wird niemand wissen, warum ich es getan habe. Vielleicht ist grün ja meine Lieblingsfarbe. Oder ich finde ihn so praktischer, um im Wald nicht so schnell entdeckt zu werden. Wobei das im Herbst sowieso nicht viel bringen wird. Dabei möchte ich nur... etwas bei mir haben, was mich an sie erinnert.

»Junger Mann.« Die Stimme einer alten Frau riss ihn aus seinen Gedanken. Er öffnete seine Augen und sah die Frau an, die ihn angesprochen hatte. Sie musste um die siebzig Jahre alt sein. Tiefe Falten zogen sich durch ihr Gesicht und ihre Haut war mit Altersflecken bedeckt. Sie trug einen Mantel, den sie sich offenbar in Eile übergeworfen hatte, denn ihre Pantoffeln hatte sie auch falsch rum angezogen.

»Ja?«, fragte er.

»Seid Ihr mit den anderen eben gekommen?«, krächzte sie. »Seid Ihr ein Erzwächter? Ihr seht wie einer aus.«

»Ja, werte Dame«, antwortete Rin Verran ohne zu wissen, wie er sie überhaupt ansprechen sollte. »Es wäre besser, wenn Ihr zurück in Euer Haus geht. Es ist schon spät. Ihr solltet schlafen.«

»Aber Ihr seid doch eben mit den anderen gekommen, oder?«

»Ja«, sagte er geduldig. »Ja, ich bin mit den anderen gekommen. Ich bin ein Erzwächter. Ich bin hier, um Euer Dorf vor den Drachenklauen zu beschützen. Sie sind offenbar wieder hier in der Nähe unterwegs.«

»Sie sind unterwegs.« Die alte Frau fing auf einmal an, am ganzen Körper zu zittern. Langsam hob sie die Hand und deutete mit einem dürren Zeigefinger zum Schutzwall, der um das Dorf gebaut worden war. »Sie sind unterwegs. Sie sind hier. Ich habe sie gesehen.«

»Was redet Ihr da?« Verwirrt schaute Rin Verran zum Schutzwall, sah aber weder dunkle Gestalten, die umher huschten, noch die Funken eines Feuers. »Da ist niemand.«

»Sie sind hier«, beharrte die alte Frau. »Ich habe sie von meinem Fenster aus gesehen. Feuer, helles Feuer in der Nacht.«

Hält sie sich für eine Wahrsagerin?, wunderte Rin Verran sich. Er hatte gehört, dass alte Menschen manchmal etwas wirr im Kopf wurden.

»Von da oben habe ich sie gesehen«, krächzte sie und deutete diesmal zitternd zum obersten Fenster des Nachbarhauses.

Von da oben.

Rin Verrans Ruhe war mit einem Mal wie weggeblasen.

Von da oben kann man über den Schutzwall bis nach Muwam sehen!

»Geht sofort zurück ins Haus!«, befahl Rin Verran, während er bereits zu einem der Türme lief, auf dem normalerweise die Feuerwächter stationiert waren. Nur waren sie jetzt alle im Wirtshaus und betranken sich. Wenn die alte Frau wirklich recht hatte und die Drachenklauen Muwam in Brand gesteckt hatten, dann...

Sie hatte recht.

Das Feuer war so hell, dass Rin Verran sich fragte, wie er es bei seiner Ankunft nicht hatte sehen können. Es waren doch erst wenige Minuten vergangen! Die Flammen peitschten wild zum pechschwarzen Nachthimmel hoch. Er starrte nur einige Sekunden fassungslos auf das Chaos, bevor er den Turm wieder hinab und zum Wirtshaus stürmte. Die Tür knallte gegen die Wand, als er sie aufstieß, woraufhin alle Blicke sich auf ihn richteten.

»Was ist...?«

»Die Drachenklauen brennen Muwam nieder!«, brüllte er, um auch ganz sicher zu sein, dass jeder ihn gehört hatte. Einige waren jedoch bereits so benommen, dass sie ihn nur verständnislos anblinzelten. Paat Jero erhob sich mit gerunzelter Stirn von seinem Platz neben Wrun Tarebo.

»Wenn das ein Scherz ist, ist das ein sehr schlechter Scherz!«, rief er.

»Es ist kein Scherz, verdammt!«, fluchte Rin Verran nur, schlug mit der Faust gegen den Türrahmen und verschwand wieder nach draußen. Es war ihm egal, ob jemand von den Erzwächtern ihm folgte oder nicht. Solange es unschuldige Menschen in Muwam gab, die vor den Flammen gerettet werden mussten, würde er dorthin gehen! Koste es, was es wolle! Sein Hengst war zum Glück noch nicht abgesattelt worden. Ohne eine Erklärung schob er den Stallburschen zur Seite, schwang sich auf den Rücken des Tieres und trieb es zum Galopp an.

Wenn ich eine der Drachenklauen treffe, was werde ich dann tun?, fragte Rin Verran sich, während er die Zähne zusammenbiss und dem eiskalten Nachtwind trotzte. Die Hufe des Pferdes gruben das Erdreich fast schon um, so schnell schoss es in Richtung Muwam davon. Die Stadt war nicht weit entfernt. Doch als er dort ankam, erwartete ihn bereits ein undurchdringliches Chaos. Unzählige Menschen stolperten aus den Stadttoren hinaus. Mütter drückten ihre Kinder ängstlich an die Brust. Ein Mädchen stand irgendwo mitten im Nichts und weinte, während sie eine Puppe in ihrer Hand hielt.

Rin Verran zügelte seinen Hengst und sprang ab, zog in derselben Bewegung Habichtfeder. Entsetzt starrte er auf die fünf Leichen, die neben den weiß-gelben Bannern am Stadttor aufgehängt waren. Jemand hatte ihnen ein blutiges Grinsen ins Gesicht geschlitzt und dann an Seilen aufgeknüpft. Ihre verdrehten Augen waren leer und weiß, starrten in den dunklen Nachthimmel. Es waren die Feuerwächter, die die Stadt eigentlich vor den Drachenklauen hatten beschützen sollen.

»Was ist hier los?«, hörte er eine Frau verzweifelt schreien. »Was ist hier los? Ich verstehe das nicht!«

»Was ist passiert?«

»Warum brennt es? Wo kommt das Feuer her?«

»Wer hat das getan?«

»Ich kann mich nicht erinnern! Warum kann ich mich nicht erinnern? Warum ist es so heiß?«

Rin Verran war verwundert über die Ratlosigkeit der fliehenden Bewohner, aber wahrscheinlich standen sie unter schwerem Schock. Ohne zu überlegen, arbeitete er sich durch den Strom der Menschen bis zum Tor vor und betrat die Stadt. Links und rechts schlugen heiße Flammen aus den zerbrochenen Fenstern. Einige Balken zerbröselten zu Asche, was ganze Stockwerke zum Zusammenstürzen brachte. Funken stoben auf. Hitze schlug ihm ins Gesicht.

Wenn die Drachenklauen noch hier sind, muss ich sie finden!

Entschlossen rannte er die Straße entlang, schaute in jede Seitengasse. Er entdeckte einen Hund, der zwischen zwei Fässern eingeklemmt war und ängstlich winselte. Blitzschnell half er ihm, sich zu befreien und vergewisserte sich, dass er in Richtung Tor floh, bevor er seinen Weg fortsetzte. Er hatte die Hoffnung, dass Paat Jero oder Wrun Tarebo ihm folgen würden, bereits aufgegeben. Ich schaffe das auch ohne sie.

Plötzlich krachte es direkt neben ihm. Gerade noch rechtzeitig wich Rin Verran dem Holzbalken eines zusammenbrechenden Gebäudes aus. Die Funken hinterließen schwarze Punkte auf seinem grünen Umhang und der blauen Kleidung der Dul-Gilde. Leise fluchend sprang er über den brennenden Balken hinweg und schritt weiter. Wo seid ihr? Ich weiß, dass ihr hier seid!

Im selben Moment meinte er auf einmal, eine Bewegung hinter einer Flammenwand zu entdecken. Bei näherem Hinsehen schien es eine Person in schwarzer Kleidung zu sein. Aber die Kleidung war viel zu weit, ähnelte eher einem Kleid, als dass es eine der Drachenklauen sein könnte. Vielleicht einer der Bewohner, der nicht fliehen konnte? Dennoch wachsam trat er auf die Person zu.

»Ihr braucht keine Angst zu haben!«, rief er. »Ich werde ein Brett durch die Flammenwand legen. Wenn Ihr schnell genug seid, könnt Ihr dann auf meine Seite rüber kommen und zum Stadttor fliehen!«

Als keine Antwort kam und die Person sich nicht bewegte, ergriff er trotzdem das Brett, das er bereits ins Auge gefasst hatte. Es war zwar mit Ruß bedeckt, brannte aber aus irgendeinem Grund nicht mehr. Gerade hatte er seine Hand auf das Holz gelegt, als direkt hinter ihm etwas sirrte. Mit einem dumpfen Laut bohrte sich ein Pfeil in das Brett, keine Handbreit von seinem Daumen entfernt. Rin Verran ließ es fallen, fuhr herum und hob Habichtfeder. Meister Jhe hatte zwar versucht ihm beizubringen, Geschosse aus der Luft mit einem Schwert abzuwehren, aber er war einfach nur schlecht darin gewesen. Dennoch hatte er jetzt wohl keine andere Wahl, als sich auf seine – wenn auch schlechten – Fähigkeiten zu verlassen. Jemand schoss mit Pfeilen auf ihn! Aber selbst nach mehreren Sekunden kam kein zweites Geschoss. Als er zur Flammenwand sah, stellte er fest, dass auch die Person verschwunden war. War es doch eine der Drachenklauen? Hat sie auf mich geschossen? Nein, der Winkel ist ganz anders. Der Schütze muss auf einem der Dächer gewesen sein.

Zögerlich ließ er Habichtfeder sinken und warf einen Blick auf den Pfeil, der immer noch im Brett steckte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass knapp unterhalb der Federn etwas befestigt zu sein schien. Es sah aus wie ein zusammengerolltes Stück Papier. Er wagte es nicht, dem Haus gegenüber den Rücken zuzuwenden, also ging er rückwärts zum Pfeil und zog ihn mit einem Ruck aus dem Holz. Dann wickelte er den Papierstreifen ab, auf dem tatsächlich etwas geschrieben stand. Misstrauisch runzelte Rin Verran die Stirn, während er las. Und mit jedem Wort wurden seine Augen größer.

›Rin Verran‹, stand dort. ›Dies ist eine Botschaft an Euch. Wir müssen zugeben, dass unser erstes Treffen mit Euch und Eurem Bruder nicht allzu gut verlief. Doch wir haben allen Grund dazu, das Waldlager, die Dörfer und die Städte niederzubrennen. Trefft uns in drei Tagen auf dem Rotapfel-Berg südwestlich von hier, wenn Ihr die Wahrheit wissen wollt. Kommt alleine. Wir wissen, wenn Ihr es nicht tut.‹

Was zum Henker? Rin Verran starrte fassungslos auf den Brief in seiner Hand, während die Straße weiter runter ein weiteres Haus zusammenstürzte. Der Lärm riss ihn aus seinen wirbelnden Gedanken. Er umklammerte das Stück Papier so fest, dass er es zerknüllte, während er mit Habichtfeder in der anderen Hand zurück in Richtung Tor eilte. Zu seiner Überraschung stieß er fast mit Paat Jero zusammen, der einen Jungen in den Armen hielt, dessen Gesicht schwarz vor Ruß war. Wahrscheinlich hatte er ihn soeben aus einem brennenden Haus gerettet.

»Drachenklauen?«, keuchte der ältere Erzwächter. Eine Alkoholfahne schlug Rin Verran entgegen.

»Später«, entgegnete er. »Wir sollten die Stadt verlassen. Hier stürzt alles zusammen.«

»Sind noch Menschen drin?«

Rin Verran antwortete nicht. Dachte an die schwarz gekleidete Person hinter der Flammenwand und den abgeschossenen Pfeil. Dann schüttelte er den Kopf. »Nicht dort, wo ich war.«

Paat Jero nickte und die beide traten durch das Tor nach draußen. Die Menschenmenge der Geflohenen war so groß geworden, dass kein Ende in Sicht war. Viele hockten wimmernd und schluchzend am Boden, starrten mit weit aufgerissenen Augen auf die brennende Stadt. Sie alle hatten ihr Zuhause verloren, vielleicht auch ihre Verwandten und Freunde. Wie viele waren in den Flammen umgekommen?

Rin Verran schaute zu den fünf Leichen, die immer noch an der Mauer hingen. Die weiß-gelben Banner neben ihnen hatten bereits Feuer gefangen und würden bestimmt bald auf sie übergreifen. Irgendwie kamen die Farben ihm bekannt vor und gerade, als er das gedacht hatte, hörte er ein lautes Brüllen.

»Mutter! Vater! Lilath!« Wrun Tarebo lief schreiend zwischen den Menschen hindurch, rief nach seinen Eltern und seiner Schwester. Bevor er hinein in die brennende Stadt laufen konnte, wurde er von zwei Erzwächtern der Dul-Gilde niedergerungen. Er wehrte sich, trat nach ihnen und versuchte, sich loszureißen, aber der Griff der zwei Männer war eisern. Schließlich brach er am Boden zusammen und stieß einen ohrenbetäubenden Schrei aus, der die Nacht wie ein greller Blitz durchstach.

»Tarebo! Tarebo!«

Der Feuerwächter schoss hoch und wurde sofort von seiner Schwester in die Arme gefasst. Das Gesicht von Wrun Lilath war tränenüberströmt und ihr Gewand war teilweise verbrannt, aber sie wirkte überglücklich, ihren Bruder zu sehen. Selbst Wrun Tarebos Augen glitzerten feucht.

»Was ist passiert?«, fragte er mit heiserer Stimme.

»Ich weiß es nicht. Ich... Ich kann mich nicht erinnern!« Wrun Lilath stieß mehrere Flüche aus, die im Prasseln der Flammen fast untergingen. Rin Verran hoffte, dass die Mütter ihren Kindern die Ohren zugehalten hatten, aber sie alle waren viel zu verängstigt und schockiert. Kurzerhand schlängelte er sich zwischen den vielen Menschen hindurch, bis er bei den zwei Geschwistern angekommen war.

»Was heißt, du kannst dich nicht erinnern?«, fragte er.

Wrun Lilath wandte sich ihm überrascht zu, bevor ihr Blick sich verfinsterte. »Bist du nicht zur Verstärkung gekommen? Wo warst du die ganze Zeit! Warum hast du so lange gebraucht! Verdammter Hurensohn! Bastard!« Sie ging mit den Fäusten auf ihn los, aber Rin Verran wich ihr mit einem Schritt zur Seite aus. Normalerweise hätte das nicht gereicht, um ihren Angriffen auszuweichen, aber sie war in einem sehr schlechten Zustand. Er bemerkte die Verbrennungen an ihren Unterarmen und die blutige Schramme an ihrer Stirn. »Wegen dir! Wegen dir!«

»Wo sind Mutter und Vater?«, fragte Wrun Tarebo plötzlich. Seine Stimme zitterte leicht. »Sind sie bei dir? Wo sind sie?«

Wrun Lilath sackte ein Stück in sich zusammen und deutete dann auf die brennende Stadt hinter dem Tor.

»Nein«, flüsterte Wrun Tarebo entsetzt, fasste seine Schwester bei den Schultern und schüttelte sie. »Sag mir, dass das nicht wahr ist!«

»Lass mich!«, schrie Wrun Lilath und riss sich von ihrem Bruder los, stolperte einige Schritte zurück. Die nassen Tränenspuren auf ihren Wangen reflektierten das helle Licht der Flammen. »Sie sind weg! Weg, verstehst du!« Ruckartig hob sie ihren Arm und zeigte auf die fünf Leichen, von denen nur noch zwei an der Mauer hingen. Die anderen hatten die Erzwächter der Dul-Gilde bereits abgenommen. »Sieh, was die Drachenklauen noch gemacht haben! Erkennst du sie nicht?«

Wrun Tarebo wirbelte herum. Seine Augen weiteten sich, während ein herzzerreißender Klageschrei seiner Kehle entkam. »Gabi! Nein!« Die Knie gaben unter ihm nach und er fiel zu Boden. »Nein!«

Rin Verran folgte seinem Blick. Einer der dort hängenden Feuerwächter war eine Frau mit schwarzen Locken, die jedoch teilweise blutig an ihrer Stirn klebten. Ihr Gesicht war kaum mehr zu erkennen. Von beiden Mundwinkeln zogen sich rote Schlitze bis dicht unter die Augen nach oben. Es sah aus, als würde sie im Tod noch grinsen.

»Gabi!«, schrie Wrun Tarebo wieder und wandte den Blick nicht von ihr ab, raufte sich die Haare. »Warum? Warum du!«

Wrun Lilath brach neben ihrem Bruder im Gras zusammen. Ihre zitternden Schultern deuteten an, dass sie weinte.

Rin Verran beschloss, sich von den beiden zu entfernen. Er konnte sich nicht im Geringsten vorstellen, was sie gerade durchmachten, welchen Schmerz sie erlitten. Er wollte es sich auch gar nicht vorstellen. Während er zwischen den Menschen umher ging, auf der Suche nach Paat Jero, lauschte er den verschiedenen Gesprächen. Es schien, als wären die meisten Leute verwirrt. Als könnten sie sich nicht daran erinnern, wie oder wo das Feuer überhaupt ausgebrochen war.

»Ich weiß nicht mal, wie ich durch die Flammen gekommen bin«, schluchzte eine Frau, die einen Säugling fest in den Armen hielt. »Ich glaube, ich bin einfach nur gerannt. Gerannt so schnell ich konnte.«

»Das Feuer war einfach da. Einfach da. Alles weg. Alles verbrannt.«

»Wo ist mein Sohn? Tibi! Tibi, wo bist du?«

»Wo waren die Feuerwächter? Sie hätten uns beschützen müssen! Warum haben sie das nicht getan!«

»Die Feuerwächter sind tot! Die Drachenklauen haben ihnen ein Grinsen ins Gesicht geschnitten und sie dann an der Stadtmauer aufgeknüpft! Hast du das nicht gesehen?«

»Hat jemand die Drachenklauen gesehen?«

»Nein.«

»Nein.«

»Nein.«

»Sie sind wie Geister! Wie sollen wir uns vor Geistern verteidigen?«

»Niemand weiß, wer sie sind! Niemand weiß, wie sie aussehen oder woher sie kommen! Niemand weiß, was sie wollen!«

»Was tun die Gilden?«

»Was können sie anderes tun, als noch mehr Erzwächter zu schicken? Aber auch das hilft nicht! Kaum ist die Verstärkung in Kothar angekommen, wird auf einmal Muwam angegriffen! Sie haben noch nie Städte angegriffen! Nur Dörfer! Wo sind wir denn jetzt noch sicher?«

Rin Verran zerknüllte den Brief in seiner Hand zu einer winzigen Kugel. Welcher Grund rechtfertigt, das Zuhause unschuldiger Menschen niederzubrennen?, dachte er grimmig. Und von welcher Wahrheit reden sie in diesem Brief? Warum ist er ausgerechnet an mich gerichtet? Soll ich mich wirklich mit ihnen treffen?

Er fand Paat Jero nahe der Stadtmauer, wo gerade die letzte Leiche runter geholt wurde. Es gab nicht mal vernünftige Leichentücher, um sie zuzudecken. So waren ihre verunstalteten Gesichter in allen Einzelheiten zu sehen. Rin Verran spürte einen schmerzhaften Knoten in seiner Brust.

»Sie nennen den, der das getan hat, Grinsegeist«, sagte Paat Jero ohne aufzusehen. »Er muss sie völlig unvorbereitet erwischt haben. Es gibt keine Kampfspuren. Als wäre er einfach gekommen, hätte ihnen das Grinsen eingeritzt und sie danach aufgeknüpft.« Er hielt das Seil mit der Schlaufe hoch. »Es war ein einfacher Knoten. Sie sind elendig erstickt. Kein Genickbruch. Ein qualvoller Tod.«

Rin Verran schloss seufzend die Augen. Wie können die Drachenklauen nur so grausam sein?

»Muwam ist der Sitz der Wrun-Gilde«, fuhr Paat Jero ausdruckslos fort. »Beide Gilden-Anführer sind anscheinend im Feuer umgekommen. Wer hätte gedacht, dass der heutige Tag so enden wird.«

Rin Verran presste die Kiefer zusammen und hielt dem Mann den zerknüllten Brief hin.

»Was ist das?«, fragte dieser.

»Die Drachenklauen haben mir eine Botschaft geschickt«, erklärte er.

»Euch?« Es war das erste Mal, dass Rin Verran ihn so ernst sah. Paat Jero glättete den Brief und las ihn durch, reichte ihn ihm zurück. »Werdet Ihr hingehen?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete er ehrlich.

»Es ist riskant«, meinte Paat Jero, »aber vielleicht ist es unsere einzige Möglichkeit, die Drachenklauen zu treffen und mit ihnen zu reden. Vielleicht könnt Ihr sie davon überzeugen, mit diesem Wahnsinn aufzuhören. Irgendwann wird einer ihrer eigenen Leute dabei draufgehen oder gefangen genommen und dann werden wir keine Gnade walten lassen. Das sollten sie wissen.«

»Ich verstehe nicht, warum sie ausgerechnet mit mir reden wollen«, sagte Rin Verran. »Ihr seid viel erfahrener und könnt auch besser andere Leute überzeugen. Ihr solltet an meiner Stelle gehen.«

Paat Jero runzelte die Stirn. »Die Drachenklauen wollen mit Euch sprechen. Ich weiß nicht, was sie machen werden, wenn ich statt Euch gehe.«

»Wenn ich alleine gehe, ist es zu gefährlich«, beharrte Rin Verran.

»Ich soll Euch begleiten?« Paat Jero überlegte kurz. »Ich kann Euch nicht begleiten. Die Drachenklauen haben geschrieben, dass sie wissen werden, wenn Ihr nicht alleine kommt. Ich habe zwar keine Ahnung, wie sie das herausfinden können, aber sie scheinen Mittel und Wege zu kennen.« Er warf einen betretenen Blick auf die Leichen der fünf Feuerwächter. »Trotzdem. Ich werde Euch mit zwei oder drei Leuten so weit folgen, wie wir es wagen. Danach seid Ihr auf Euch alleine gestellt. Wenn Ihr in einer Stunde nicht zurückkommt, werden wir weiter gehen und Euch holen.« Er stieß ihm den Finger vor die Brust. »Lasst Euch nicht umbringen, bitte.«

»Das werde ich nicht«, antwortete Rin Verran und strich mit der Hand über den Smaragd, den er in den Knauf seines Schwertes hatte einarbeiten lassen. »Ich habe Habichtfeder an meiner Seite.«

Paat Jero nickte und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Das ist gut. Jetzt hilf uns, all diese Menschen irgendwie nach Kothar zu bringen.« Er blickte zu der brennenden Stadt hinter sich. »Muwam ist nicht mehr zu retten.«

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Und die Drachenklauen sind wieder da O.o Von was für einer Wahrheit sie wohl sprechen? Warum wollen sie sich ausgerechnet mit Rin Verran treffen? So viele offene Fragen. Das Kapitel ist auch allgemein sehr traurig :( Manchmal kann man gar nicht glauben, wie schnell man etwas verlieren kann, und Wrun Lilath und Wrun Tarebo mussten das jetzt auf die bittere Art und Weise erfahren...

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