fünfundzwanzig
- Ich denke wir sind Quitt,
Davis Halter -
Ich wurde von einem sanften Klopfen aus dem Schlaf gerissen. Mein erster Gedanke war, dass es Dr. Cartney sein könnte, um meine Blutwerte zu messen. Dann viel mir ein, dass ich sie gebeten hatte, mich ausschlafen zu lassen, da ich spät zurück kommen würde. Der nächste Gedanke überrumpelte mich so plötzlich, dass ich nicht mal ein ,,Herein" in klaren Worten herausbringen konnte.
Ich hatte Davis geküsst.
Im nächsten Moment betrat er in mein Zimmer. Mit seinem typischen Grinsen im Gesicht und diesen unfassbar schönen Augen. Automatisch ging mein Puls hoch.
Und nun stand er da, ganz unschuldig, als sei nichts passiert.
,,Guten Morgen", begrüßte er mich freundlich. Ich war noch immer so überwältigt, dass ich keine Antwort heraus bekam. Er durchquerte das Zimmer und lief zu dem großen Fenster, welches noch immer von den schweren Vorgängen verdeckt war.
,,Du verpasst einen wunderschönen, sonnigen Tag", meinte er, ohne sich zu mir umzudrehen.
Das nächste, was aus mir heraus kam, überraschte mich selbst vermutlich genau so sehr, wie ihn.
,,Mach sie auf", sagte ich und bemerkte die Bedeutung dieser Wörter erst, als ich sie ausgesprochen hatte. Das letzte mal, dass ich durch das Fenster gesehen hatte, war vor Caths Tod. Ich hatte nie vor gehabt, mich strikt dagegen zu weigern. Doch je mehr Zeit verstrich, in der ich mich nicht traute, die Vorhänge zu öffnen, desto gewöhnlicher wurde es mir, dass ich sie nie wieder berühren würde. Ebenso wie mit meinem Spiegelbild. Ich hatte Angst vor etwas lächerlichen, völlig selbstverständlichen.
Doch jetzt, wo Davis so kurz davor war, die Vorhänge beiseite zu Schieben, merkte ich, wie groß mein Verlangen danach war. Ich hatte das alte Kapitel abgeschlossen, hatte in mein Spiegelbild gesehen.
Ich musste nicht sterben, ohne dass Gefühl zu haben, geliebt zu werden. Ich wurde geküsst, von Davis Halter. Er sagte mir, dass er mich liebte.
Ich merkte, wie bereit ich plötzlich war, den alten Abschnitt meines Lebens abzuschließen. Nach vorn zu blicken. Cath würde nicht zum Leben erwachen, nur weil ich an den alten Erinnerungen klammerte. Warum sollte ich keine neuen, genauso unvergesslichen machen?
,,Sicher?" Davis sah sich zu mir um. Ich nickte nur, mit einem zielstrebigen Blick. Als die ersten, warmen Sonnenstrahlen durch das Fenster schienen, viel die letzte Last von mir ab, wie ein Rucksack, den ich einen endlos langen Weg mit mir geschleppt hatte.
Automatisch erschien ein Lächeln auf meinen Lippen.
,,Danke", flüsterte ich so leise, dass ich mir sicher war, er hatte es nicht gehört. Auch er schien zufrieden zu sein. Er sah noch eine Weile aus dem Fenster, dann kam er auf mich zu. Ein fast schon triumphierender Gesichtsausdruck.
Lautlos setzte er sich an mein Fußende. Ich hatte mich längst aufgerichtet und sah ihn mit erleichterter und dankbarer Miene an.
,,Ich hoffe, das war wirklich in Ordnung", meinte er und ich rutschte näher an ihn heran, um meinen Kopf an seine Schulter zu lehnen. Mein Blick war auf die Sonnenstrahlen gerichtet, die durch die dichten Blätter des hohen Baumes vielen. Wie wunderschön es doch eigentlich war.
,,Mehr als das", entgegnete ich. Dann drehte ich meine Kopf zu ihm und küsste ihn. Es war wie ein Reflex. Etwas, dass ich nicht kontrollieren konnte. Ich tat es schon wieder.
Bis gestern hatte ich gedacht, dass so etwas in meinem einsamen, tragischen Leben, nie passieren würde. Nie hätte ich gedacht, dass mich eine Person auf diese Art lieben könnte. Ich wusste noch nicht ein mal, ob ich zulassen durfte, dass ich so geliebt wurde. Ich hatte vor gehabt, möglichst viele Menschen aus meinem leben fern zu halten und selbst die, die mir am wichtigsten waren, von mir abgestoßen. Ich hatte gedacht, ich würde sie damit schützen. Ein dummer, kindischer Gedanke. Wie konnte man jemanden schützen, wenn man ihn dazu so sehr verletzen musste, dass es fast schon abartig war.
Jetzt weigerte ich mich, dem sturen kleinen Mädchen in mir zu gehorchen, mich dem Krebs zu ergeben.
Ich spürte seine große Hand an meiner Wange. Ich wollte, dass dieses Gefühl, für immer anhielt, selbst, als mich ein lauter schriller Klingelton aus meiner Euphorie riss. Davis zog die Augenbrauen zusammen, drückte ein letztes Mal seine Lippen auf meine und suchte dann hektisch nach seinem Handy, um den Ton zu beenden.
,,Das ist mein Wecker", sagte er und drückte auf das kleine rote Kreuz. ,,Die erste MRT Kontrolle nach der Op, bei der wir Ergebnisse sehen können. Ich hoffe, sie konnten den Mistkerl vertreiben."
Diese Worte brachten mich in die Realität zurück. Noch immer waren wir in einer Krebsklinik. Was wäre, wenn sie es nicht geschafft hatten, alle Tumorzellen zu entfernen. Ihm ging es so gut. Er war so kurz davor, sein altes Leben zurück bekommen. Es musste einfach funktioniert haben.
,,Was passiert, wenn er noch immer da ist, wenn sie Teile übersehen haben? Oder wenn er doch bösartig ist und gestreut hat"
Er zuckte mit den Schultern. ,,Dann heißt es Strahlen- oder Chemotherapie." In meinem Ohren klang er viel zu entspannt.
,,Davis, du...du kannst doch nicht..." Ich war sprachlos. Waren die vier Wochen wirklich schon um? Ich hatte in den letzten Tagen so sehr verdrängt, weshalb wir hier waren. Die Realität tat weh.
,,Es wird alles gut", versprach er und küsste meine Schläfe. ,,Ich denke in der Röhre an dich." Damit entlockte er mir, trotz dem bedrückenden Gedanken, ein Schmunzeln.
•••
Es war später Nachmittag, als Dr. Cartney in mein Zimmer trat. Ich hatte die ganze Zeit über versucht das Bild von Davis unter dem furchtbar erdrückenden MRT-Gerät, aus meinem Kopf zu bekommen. Ich hatte ein Buch gelesen, welches ich mittlerweile mindestens vier mal im Laufe des letzten Jahres durchgelesen hatte. Auch hatte ich aus dem Fenster gesehen, eine ganze Weile lang. Die Blätter des hohen Baumes betrachtet, welcher direkt vor meinem Fenster wuchs.
Ich dachte an Cath. Und wieder an Davis.
Als ich Dr.Cartney ansah, bemerkte ich, dass sich in ihren Augen deutliche Verwirrung widerspiegelte. Sie sah erst zu den weit geöffneten Fenstern, dann zu mir. Blieb jedoch kommentarlos.
,,Dr.Cartney?", fragte ich, meinen Blick nach draußen gerichtet.
,,Weißt du etwas von Davis?" Ruckartig drehte ich mich um. Sie legte den Kopf schief. Ich konnte nicht erkennen, ob sie nachdachte oder überrascht war.
,,Du weißt, dass ich eigentlich nicht darüber sprechen kann. Ich bin nicht seine behandelnde Ärztin." Sie seufzte leise. Ich beugte mich energisch nach vorn.
,,Aber du weißt etwas! Bitte, es ist wichtig. Ich mache mir Sorgen. Was passiert, wenn der Tumor nicht vollständig entfernt werden könnte. Ihm geht es doch so gut." Meine Stimme klang mitleidig.
Dr. Cartney schien sich geschlagen zu fühlen. ,,Ich weiß, dass Davis nicht das größte Problem ist. Er hat einen bislang gutartigen Tumor. Zusätzlich an einer Stelle im Kopf, die mehr oder weniger leicht und gefahrlos zu erreichen ist", sagte sie und band sich ihre Haare zu einem Dutt. ,,Das heißt es kann sein, dass selbst wenn sie Reste übersehen haben, eine weiter Operation genügt. Oder eine kurzzeitige Therapie." Bei dem Gedanken an die letzte Operation würde mir eiskalt. ,,Aber er kann doch nicht....", stotterte ich nervös. Sie Schüttelte den Kopf. ,,Wie gesagt, ich kann dir keine genauen Informationen geben. Aber ich verspreche dir, Loucy, es wird ihm schneller wieder gut gehen, als du erwartest." Dr. Cartney schenkte mir ein liebevolles Lächeln. Dann sah sie mich intensiver an.
,,Weißt du, manchmal verstehe ich dich nicht", meinte sie schmunzelnd. ,,Was?", entgegnete ich mit einer übertrieben erschrockenen Stimme. ,,Du leidest seit über sieben Jahren an Leukämie. Hast unzählige Chemotherapien, Antibiotika, Blutuntersuchungen, Schmerzen und schlaflose Nächte hinter dir. Das habe ich alles miterlebt. Und nie, nicht ein einziges mal, hast du mich gefragt, was mit dir passieren wird. Du hast alles einfach so hingenommen. Die Tränen heruntergeschluckt und gekämpft. Du erkundigst dich nicht ein mal nach den Blutwerten, die dir mitteilen, ob du vielleicht gesund werden kannst. Und dann erkundigt du dich nach diesem Jungen. Dessen Heilungschancen wirklich sehr gut stehen." Zu erst klang es, als würde sie mir einen Vorwurf machen, dann wurden ihre Gesichtszüge weich und sie lächelte. ,,So jemanden wie dich habe ich noch nie erlebt. Du hast so ein großes Herz. Es ist, als wärst du einfach zu gut für diese Welt" Ich biss mir auf die Unterlippe, da ich nicht wusste, wie ich reagieren sollte. Ich wusste, dass ich sterbenskrank war. Und ich war mir im klaren darüber, dass mir die Blutuntersuchungen mitteilten, dass ich entweder leben oder sterben durfte. Aber ich achtete nicht auf sie - nicht mehr. Denn ich wusste, dass der Schlag, nach einer ernüchternden Nachricht viel stärker war, als die kurzweilige Freude nach einer guten Nachricht. Ich hatte mich an dieses ständige hin und her gewöhnt. Früher oder später würde ich eh herausfinden, wie es nun um mich stand. Das würde mir genügen. Davis stand ganz am Anfang. Er hatte die Chance auf sein altes Leben. Auf einen College Abschluss und eine glückliche Zukunft. Vielleicht hatte Dr. Cartney recht, denn im Moment war mir sein Leben so viel wichtiger, als mein eigenes. Vermutlich da ich mir nichts sehnlicheres wünschte, als ihn mein verpasstes Leben, leben zu lassen.
,,Ich mache dir keine Vorwürfe. Aber ich denke das ist es, was mich irgendwie beunruhigt. Vielleicht würde es dir guttun, wenn du wenigstens auf dem laufenden bleibst. Bei deiner eigenen Gesundheit." Ich legte den Kopf in meine Hände. Eigentlich war mir klar, was sie mir als Antwort geben würde. Dennoch seufzte ich tief und richtete mich auf.
,,Gut, was sagen die Blutwerte?" Fast schien es, als wollte sie lächeln. ,,Die letzten Ergebnisse sind zwei Wochen alt. Momentan sieht es gut aus. Wir müssen versuchen, diese Werte zu halten. In einigen Monaten werden wir sehen, ob der Krebs besiegt ist." Ich nickte. Genau das hatte ich erwartet. Diese Worte hatte ich schon so oft gehört. Immerhin schien ich für die nächsten Wochen mehr oder weniger in Ruhe gelassen zu werden. So lange ich mir keine Infektion einholte. Doch nach den Untersuchungen vor drei Tagen schein sich mein Immunsystem nach dem letzten Chemozyklus gut erholt zu haben. Sonst hätten sie mich vermutlich nicht mit Davis mitgehen lassen. Tatsächlich war das das Einzige, was ich mir wünschte. Ein gutes Immunsystem.
Ich erinnerte mich daran, wie man Cath und mich damals für eine ganze Woche trennte. Das war direkt nach einem Chemoblock und Ich war so geschwächt, dass ich nicht mal meine Mum sehen durfte, aus Angst, ich könnte mir irgendwelche Viren einholen. Das war die schlimmste Zeit für mich. Würde man mir verbieten Davis zu sehen, würde ich vermutlich durchdrehen.
,,Dann bleiben wir mal optimistisch." Vermutlich sprach ich genau das aus, was sie sich alle von mir erwünschten. Mittlerweile hatte ich verstanden, was man von mir hören wollte. Egal ob es stimmte. Ich wollte so lange es ging Ruhe von all dem haben. Meinetwegen könnten sie alle paar Wochen mein Blut untersuchen. So lange sie mir Freiheit ließen. Das war alles was ich wollte.
Dr. Cartney schien so überrascht und zugleich zufrieden zu sein, dass sie mich ganz plötzlich in den Arm schloss. Das tat sie nicht oft. Heute schien sie sich wirklich zu freuen.
,,Ich bin wirklich stolz auf dich, Loucy", sagte sie und strahlte mich an. Ihre Dunklen Locken vielen Strähnchen weise aus ihrem Dutt heraus, doch das schien sie nicht zu stören. ,,Ich hoffe mit dir, dass es Davis besser geht."
•••
Gleich nachdem ich versucht hatte, Dr. Cartney in mehreren Anläufen klar zu machen, dass ich nicht ihre einzige Patientin war, hatte ich mir eine dünne Strickjacke übergezogen und mich draußen auf die Parkbank gesetzt. Ich hoffte, dass Davis gleich nach seiner Untersuchung dort lang gehen würde. Denn der große Park befand sich gleich zwischen dem Hauptbaus, indem die ganzen Krankenzimmer untergebracht waren und einem der Nebengebäude, das unteranderem das MRT beinhaltete. Es waren schon einige Stunden vergangen, nachdem sein Wecker geklingelt hatte, doch ich wusste, dass es manchmal ewig dauerte, bis man letztendlich unter den Horror Apparat geschoben wurde. Also würde ich warten. Mein Blick war auf das Wasser gerichtet. Die Sonne war mittlerweile fast schon hinter den hohen Bäumen verschwunden und ein kühler, jedoch angenehmer Wind wehte mir um die Ohren. Ich hatte meinen Kopf in den Nacken gelegt und beobachtete eine Weile, wie die Wolken an mir vorbei zogen.
,,Hey duu", hörte ich plötzlich eine dunkle Stimme von der Seite. Sie schien noch einige Meter entfernt zu sein. Dennoch war ich so verwundert, dass ich mich aufsetzte und dem Geräusch entgegen starrte.
,,Was machstn' du hier?", lallte die Stimme und ein lautes Lachen folgte. Ich betrachtete die dunkelhaarige Person. Er war groß und durch das enganliegende Shirt könnte ich seine durchtrainierte Figur erkennen. Seine kantigen Gesichtszüge spitzten sich zu seinem Kinn zu, als umrahmten sie die schmalen Lippen. Auf diesen lag ein hämisches Grinsen. Seine Augen waren so dunkel, dass ich dessen Farbe nicht von den Pupillen unterscheiden konnte. ,,Was denkst du denn Brian, die hat einen Krebs." Ein schwarzhaariger Typ neben ihm schlug ihm leicht gegen den Hinterkopf. Er war mindestens genau so groß und muskulös, wie dieser Brian. Mit dem Unterschied, dass seine Augen nicht annähernd so dunkel aussahen, wie die seines Kumpels.
,,Vollidiot. Die hat keinen Krebs. Die hat Krebs", warf ein Dritter ein. Er war etwas kleiner, dennoch genauso muskulös. Sein Haar war blond, fast schon hatte es einen Rotstich in sich. Dazu hatte er intensive blaue Augen, die ihn irgendwie von den anderen Beiden abhoben. Nicht unbedingt im positiven Sinne.
Kurz herrschte Stille, dann folgte ein erneutes Grölen der anderen. Noch immer saß ich wie angewurzelt auf der Bank, traute mich nicht, etwas zu sagen. Die Typen schienen so betrunken zu sein, dass ich nicht gerade scharf darauf war, mit ihnen eine nette Unterhaltung zu beginnen.
,,Ach ja und warum hat die dann keine Glatze?", fragte Brian wieder, als würde ich lediglich auf einem Foto existieren und nicht als lebendiger Mensch direkt vor ihrer Nase sitzen. Seine Stimme war am lautesten. So einschüchternd, dass sie noch mehrere Sekunden später in meinem Ohr klang. Was machten diese Typen hier? Im Klinik Park zu dieser Uhrzeit.
,,Na dann frag sie doch", entgegnete der Blauäugige. Brian machte einen Schritt auf mich zu, schien mich von Kopf bis Fuß zu Mustern. ,,Wie heißt du, Kleines?", fragte er. Seine Stimme war von dem Alkohol noch immer verzerrt.
,,Was wollt ihr von mir?", fragte ich und versuchte, meine Stimme nicht zittern zu lassen.
Langsam beugte sich der Typ zu mir herunter, stützte seine kräftigen Hände an meinen Schultern ab.
,,Ich habe dir eine Frage gestellt." Plötzlich klang seine Stimme fest und ausdrucksstark. Ich bekam eine Gänsehaut. Er war mir so nah, dass ich den Alkohol riechen konnte. Und bestimmt war das nicht das Einzige, was sie konsumiert hatten.
,,Lass mich. Sonst rufe ich die Polizei", rief ich laut, wusste jedoch, dass um diese Urzeit fast niemand im Park war und auch, dass mein Handy Meter weit entfernt in meinem Zimmer lag. Somit würde mich eh keiner hören, egal, wie laut ich schrie. Ich schlug ihm gegen die Brust, um ihn von mir wegzudrücken. In seinen pechschwarzen Augen entfachte ein Feuer.
,,Was fällt dir ein, du dummes-", er konnte nicht zu Ende sprechen. Seine schallende Stimme wurde von einem bekannten Ton unterbrochen. Ohne zu registrieren, wer es war, fühlte ich mich ein kleines bisschen sicherer.
,,Lass gut sein, Brian." Ich sah, wie Davis vom dem Nebenhaus direkt auf uns zu lief. Seine Haut war blass, doch sein Gesichtsausdruck war energisch. Ich konnte ihm die Wut von der Nasenspitze ablesen. Erleichtert sah ich ihn an. Brian machte einen Schritt zurück und funkelte nun Davis an.
,,Dave", rief er mit einer deutlich aufgesetzten Überraschung in der Stimme. ,,Wir haben auf dich gewartet", fuhr Brian ihn an, als könnte er etwas dafür, dass seine Untersuchung länger gedauert hatte.
,,Wir dachten, du könntest das hier gebrauchen", warf der andere dunkelhaarige mit geheimnisvoller Stimme ein und drückte Davis eine kleine durchsichtige Plastiktüte, dessen Inhalt ich nicht erkennen konnte, gegen die Brust.
,,Danke, Taylor. Ich verzichte. Und jetzt zieht ab und lasst das Mädchen in Ruhe", rief Davis, fast schon baute er sich vor mir auf. ,,Du nimmst diese Göre auch noch im Schutz. Das kleine Miststück hat mir gedroht."
,,Brian!", Davis Stimme klang beruhigend auf ihn ein. ,,Was habt ihr genommen?"
Er zuckte mit den Schultern. ,,Nur nen bisschen Gras. Stell dich nicht so an, wir haben dir auch was mitgebracht", lachte Brian und Taylor wedelte erneut mit dem Päckchen.
,,Wir dachten, wir können dich mal n' bisschen ablenken, damit du in dieser Irrenbude nicht verrückt wirst", grinste der Dritte. Über sein ganzes Gesicht waren Sommersprossen verteilt. Hätte er nicht genau so stockend gesprochen, wie die anderen, hätte ich vermutlich gedacht, er gehörte nicht dazu.
,,Ich will das Zeug nicht. Ich bin hier weil ich nen scheiß Tumor habe. Checkt ihr das nicht? Ich muss mein Leben in den Griff bekommen und das solltest ihr auch. Seht euch doch an. Was ist aus euch geworden?" Davis Stimme war aufbrausend, doch so hätte er nicht reagieren dürfen. Brian baute sich vor Davis auf und ich bemerkte, dass er noch ein ganzes Stück größer war. Dann holte er aus und schlug Davis direkt ins Gesicht. Erschrocken und wie benebelt sprang ich auf.
,,Davis", rief ich. Dieser taumelte zurück. Ich packte ihm beim Arm und sah panisch auf seine zusammengekniffenen Augen. Neben dem Rechten war ein großer roter Fleck zu sehen. Mit entsetztem Gesicht starrte ich Brian in die Augen. Was war er für ein abartiger Mensch?
Davis biss die Zähne zusammen und löste sich von mir, um mich sicher hinter ihm zu verstecken.
,,Süß, jetzt nimmt er die Kleine auch noch in Schutz", lachte Taylor und klopfte Brian auf die Schulter, als sei er stolz darauf, dass dieses Arschloch gewalttätig wurde. ,,Das hat er nun davon." Brian spuckte Davis vor die Füße. Mit jedem Augenblick wurde ich immer wütender. Davis schüttelte nur den Kopf. Auch er schien entsetzt zu sein. ,,Los, verpisst euch."
,,Wir machen gar nichts. Diese Tüte hat uns nen Haufen Ärger besorgt. Meinst du Dylan kann täglich so ne Menge besorgen. Wir wollten doch nur, dass du nicht eingehst in diesem Drecksladen." Brian sah ihn abwerten von Oben herab an.
,,Bro, Lass gut sein. Ist sein Pech, wenn er nicht will", versuchte der Dritte ihn zu beruhigen, doch Brian zischte nur ,,Klappe Chris", schien dann jedoch selber Ansicht zu sein.
,,Das wirst du uns büßen Davis Halter." Mit diesen Worten drehte er sich um, ohne uns noch eines Blickes zu würdigen. Taylor und Chris folgten ihm.
Mehrere Sekunden standen wir wie angewurzelt da und sahen den Typen hinterher, dann drehte ich Davis sanft in meine Richtung, griff seinen Arm und zog ihn auf die Bank.
,,Hey", sagte ich leise. ,,Alles okay? Dieser Brian hat sich ganz schön erwischt." Ich fuhr vorsichtig über seine Schläfe. An dieser Stelle wurde der rote Fleck bereits blau. Davis verzog keine Miene. Auf seinem Gesicht war noch immer brennende Wut zu erkennen.
,,Diese Idioten", fluchte er, versuchte seine Stimme ruhig zu halten.
,,Wer war das?", fragte ich, ohne seine zuckenden Augen aus dem Blick zu lassen. Er lachte mit einem spottenden Unterton.
,,Das sind meine Freunde." Ich lachte ebenfalls auf. Ironischer Weise. Wenn man betrachtete, dass einer seiner Freunde ihn soeben fast umgehauen hatte.
,,Das waren sie zumindest. Ich kenne Brian und Chris mein ganzes Leben lang. Wir sind zusammen aufgewachsen. Ihre Väter sind ebenso reiche und abgehobene Männer, wie mein Dad. Daher kenne ich sie auch. Wir gingen schon immer in die selbe Klasse. Sie waren echt in Ordnung, selbst Brian - Früher." Er raufte sich die Haare und lehnte sich seufzend zurück.
,,Und dann?", hakte ich nach.
,,Die High School. Brian würde ein Totales Arschloch. Seine Eltern ließen sich scheiden. Seine Mum zog mit seinem Bruder nach Paris. Ich denke das war die Zeit, in dem ihm alles egal wurde. Die Schule, sein Dasein, seine ganze Zukunft. Dann kam den die Drogen. So ein paar Typen dealten mit so nem Scheiß. Erst nur Zigaretten und Cannabis. Später sogar Crack und Heroin."
Ich war froh, von diesem ganzen Zeug noch nie etwas gehört zu haben. Doch mit Sicherheit war es nichts harmloses, wie Davis darüber sprach. Plötzlich lief mir ein Schauer über den Rücken. War Davis auch so einer? Hatte er sich auch mit diesem ganzen Zeug zugeschüttet und womöglich hilflose Mädchen angegriffen? Vor dieser Zeit meine ich. Ich versuchte diesen Gedanken so schnell es ging zu verdrängen. Doch dann viel mir unsere erste Begegnung ein, die ich tagtäglich versuchte zu verdrängen. Davis hatte nach solchem Zeug gerochen. Etwas, was mit Sicherheit nicht bloß eine Zigarette oder ein Bier war. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er so gewesen sein soll, wie die Typen. Er war so...anders. Fürsorglich, liebevoll, freundlich, das komplette Gegenteil von denen. Dennoch wusste ich, dass es etwas in seiner Vergangenheit gab, was er verabscheute.
,,Davis?", begann ich vorsichtig. ,,Hast du auch...?" Er rührte sich nicht, schien eine Weile über seine Worte nachzudenken.
,,Ja." Ich musste schlucken. ,,Es war furchtbar und glaub mir, Lou, ich bin alles andere als Stolz darauf. Ich konnte nichts dagegen tun. Jeder mit reichen Eltern und einer riesen Party Location wurde mit darein gerissen. Wir wurden zu sämtlichen Partys eingeladen. Dadurch lernten wir Taylor kennen. Wir waren die, die Partys geschmissen haben. Und ich sage dir, die High School läuft alles andere als harmlos ab. Alkohol ab 21. Wenn man um 9 auf die Party kam, lag die Hälfte schon voll in der Ecke." Mit jedem seiner Worte fühlte ich mich unwohler. Ich war nie wirklich auf der High School gewesen. Symbolisch gesehen zumindest. Denn ich war nie dort angekommen.
Nie hätte ich gedacht, dass so etwas normal wäre. Dass Davis so jemand war.
,,Es ist einfach scheiße gelaufen. Wie du siehst kommt kaum einer wieder raus. Denkst du irgendeiner von deren Eltern sorgt sich um sie? Denen ist es völlig egal, wenn ihr Kind mit Drogen vollgepumpt um vier Uhr vor der Haustür steht. Die meisten bekommen das nicht mal mit." Seine Worte wurden immer laute. Seine Muskeln waren angespannt. Ich hatte damit gerechnet, er würde jeden Moment aufspringen. Ich schwieg, sah ihn nur in Gedanken an. Es war einfach nicht möglich mir vorzustellen, dass das sein Leben war. Dass er so einen ignoranten Vater hatte und Freunde, die ihn, bloß, weil er keine Drogen annehmen wollten, schlugen und auf die Füße spuckten.
,,Tut...tut mir leid", sagte er nach einiger Zeit und holte tief Luft. Seine Muskeln entspannten sich. ,,Ich habe immer versucht daraus zu kommen. Aber es ging nicht. Du wirst mich nicht verstehen, aber..."
,,Das kann ich tatsächlich nicht", entgegnete ich. Davis sah auf. ,,Aber ich kann es akzeptieren. Denn wie du dich eben gegen sie gerichtet hast zeigt doch, dass du nicht so bist wie die." Er schüttelte den Kopf.
,,Vielleicht jetzt. Wenn ich bei dir bin. Aber sonst bin ich keineswegs besser als die." Ich sah in an. Redete mir immer wieder dasselbe ein. Davis war keiner von ihnen.
,,Weißt du Lou, ich habe dir doch damals von dem Unfall erzählt." Ich erinnerte mich. Der Unfall, über dessen genauen Verlauf ich mich erkundigen wollte, aber zu feige war, nachzufragen.
,,Als sie dachten mein Schwindel und die Übelkeit käme davon, dass ich in dieses Auto gefahren war und den Unfall gebaut hatte." Ich zog die Augenbrauen hoch, so unauffällig wie möglich, um ihn nicht von seiner Erzählung zu stoppen.
,,Es war mitten in der Nacht. Die letzte Party auf der ich gewesen bin - bei Brian nur ein paar Querstraßen weiter. Ich war mit dem Auto dort, weil ich auf dem Hinweg Chris und Taylor eingesammelt habe. Ich kann mich nicht mehr an vieles erinnern. Nur, dass ich der Auffassung war, ich wäre noch dazu in der Lage, den Weg nach Hause zu fahren. Und ich war definitiv nicht mehr in der Lage dazu. Nur eine Straße von unserem Haus entfernt muss ich kurz die Konzentration verloren haben und ich bin mit hoher Geschwindigkeit in ein Auto rein gerast." Ich riss erschrocken meine Augen auf. Mein erster Gedanke war, ob Davis jemanden verletzt hatte. Mir wurde schlecht. Auffordernd sah ihn an, auch wenn ich erkannte, dass es ihm schwer viel, darüber zu sprechen.
,,Zum Glück saß niemand drin, denn es ist nicht mehr viel von dem Auti übrig geblieben. Es parkte am Straßenrand. Ich habe unfassbares Glück gehabt. Den Rest kennst du ja." Mein Blick suchte nach der Narbe, die über dem immer weiter anschwellenden Auge von seiner Haarsträhne verdeckt wurde.
Doch Davis schien seine Erzählung noch nicht beendet zu haben.
,,Weißt du was das erste war, was mein Dad gesagt hat, als er mich im Krankenhaus besucht hat?", seine Stimme klang angeekelt, als spräche er über einen Erzfeind.
,,Davis, hat er gesagt. Weißt du eigentlich, wie viel die verdammte Karre wert ist? Das hat er geschrien, während ich mit Gehirnerschütterung im Krankenhaus lag. Er hat nicht danach gefragt, wie es mir geht. Wahrscheinlich wusste er nicht mal, dass ich getrunken hatte. Nach ein paar Stunden war das Auto abbezahlt und mein Dad ignorierte mich wieder. Doch noch vor meiner Diagnose des Tumors, habe ich mir geschworen nie, wieder einen Tropfen Alkohol zu trinken oder irgendeine Droge zu mir nehmen. Wirklich, ich konnte mir nichts schlimmeres vorstellen, als noch ein mal in diese Situation zu kommen. Als ich dieses Auto vor mir gesehen habe, ohne zu wissen, dass kein Fahrer darin saß, war mir klar, dass dieser Moment das aller letzte mal gewesen war. Ich hatte so eine Angst, dass jemand in dem Wagen saß. Das ich...vielleicht jemanden..." Seine Stimme brach ab. Ich legte meine Arme um seinen Hals und zog ihn in eine feste Umarmung.
,,Ich dachte wirklich, ich hätte jemanden umgebracht", flüsterte er. Seine Worte zitterten.
,,Wolltest du das Zeug darum nicht annehmen?", fragte ich, als ich ihm wieder in die Augen sah. ,,Ja", entgegnete er, seine Stimme hatte etwas mehr unter Kontrolle.
,,An dem Tag, an dem ich die Diagnose bekam, drehte ich durch. Mum sagte mir, sie hätte Kontakte zu einer der besten Krebs Kliniken im Land, sie kenne dort Jemanden und könnte mich noch am selben Tag dorthin bringen. Natürlich nur zu Gunsten meiner Gesundheit. Ich wusste von Anfang an, dass sie einfach keine Lust hatte, sich mit eigenen Händen um mich zu kümmern. Ich traf mich mit Brian und den anderen, um ihnen von dem Mist zu erzählen. Vielleicht habe ich gehofft, sie würden mich verstehen. Etwas, was man von seinen Freunden erwarten sollte. Das dachte ich zumindest. Das einzige was sie meinten war, dass ich diesen Ärger mit einem Bier verdrängen sollte. Ich wusste, was ich geschworen hatte. Ich hatte es so klar vor Augen, wie noch nie. Aber ich wollte nicht mehr. Nichts mehr hatte für mich einen Sinn. Ich verstand, dass ich Eltern hatte, denen ich so wenig zu bedeuten schien, wie ein Gegenstand. Ich dachte, es würde keinen Ausweg mehr für mich geben. Also ging ich an. Ein aller letztes mal. Ich war die ganze Nacht unterwegs. Wollte einfach alles vergessen. Am nächsten Tag schleppte Mum mich hierher. Die beste Entscheidung, die sie hätte treffen können, auch wenn ich sie bis jetzt dafür hasse, dass sie zu feige war, sich selbst um mich zu kümmern. Aber sobald mein Kopf wieder frei war verstand und akzeptierte ich es langsam. Denn wenn ich so weiter gemacht hätte, dann wäre ich mit Sicherheit kein besserer Mensch, als mein Vater. Und dann habe ich dich getroffen und bekam genau das bestätigt, was ich tief in meinem Inneren so sehr versuchte. Neu anzufangen. Ganz von vorn." Er musste Lächeln. ,,Und glaub mir, ich lüge nicht, wenn ich sage, dass du das Beste bist, was mir hätte passieren können."
Jetzt war ich es die Lächelte. ,,Du kannst mir ebenso glauben, wenn ich dasselbe behaupte. Vielleicht war mein Leben nicht voller Rauch und solchen Freunden. Aber es war mit Sicherheit ebenso grau und verschleiert."
Er nickte. ,,Ich weiß nicht, wie ich dir dafür danken kann."
Ich kniff die Augen zusammen, als überlegte ich angestrengt, was er mir im Austausch geben könnte. Dann begann ich zu lachen und reichte ihm die Hand.
,,Ich denke, wir sind Quitt, Davis Halter."
Noch vor einigen Tagen dachte ich, Davis wäre ein verschlossenes Buch. Vielleicht lag es auch an mir, dass ich mich nicht getraut habe, ihn nach seinem Leben zu fragen. Im Laufe der Zeit konnte ich immer mehr über ihn herausfinden. Mit jedem Tag merke ich, wie unterschiedlich unsere Leben doch eigentlich sind. Wie allein diese eine Sache, unsere Gesundheit, uns zusammengeführt hat. Ich habe schon immer dieses Leben. Nie habe ich auch nur die Möglichkeit gehabt das zu tun, was ein völlig normaler Teenager machte. Das zu tun, was Davis getan hat. Jetzt wo ich weiß, wie sein Leben war, bedauere ich dies jedoch weniger. Für mich war es immer unvorstellbar, wie man Drogen nehmen kann. Wie man auf Partys geht, nur um am nächsten Morgen zu merken, wie beschissen die Idee doch eigentlich war und es dann gleich wieder zu tun. Jetzt mal ehrlich, gleicht dieses Verhalten nicht dem eines Kleinkindes? Mit dem einzigen Unterschied, das Kleinkinder irgendwann aus ihren Fehlern lernen. Sie lassen tausend mal ihre Bauklötze fallen, nur um sicherzugehen, dass sie auch beim letzten Mal auf den Boden fallen, bis sie es endlich akzeptieren.
Davis hat daraus gelernt. Das weiß ich. Doch was aus seinen Freunden werden soll, kann ich mir nicht erdenken. Sie haben die Chance auf ein glückliches Leben, auf eine gesunde Zukunft und eine Familie. Wieso werfen sie all das weg? Das ist die Frage, die ich mir auch bei Cath Tag für Tag gestellt habe. Ich weiß, dass ihr Leben vor all dem nicht besonders toll war. Auch ohne die Drogen wäre es vermutlich nicht gerade toll weitergegangen. Doch war es das alles wirklich wert? War zu sterben für sie wirklich der einzige Ausgang. Ich weiß es nicht. Denn wie bei Davis, traute ich mich nicht, nachzufragen. Ich wollte die Krankheit verdrängten. Mit ihr gelang es mir. Doch letztendlich half mir dieses Verdrängen nicht weiter. Jetzt, wo ich mit Davis spreche, wo ich zulasse, dass ein paar Stunden der perfekten Harmonie dafür verschwendet werden, über unsere Krankheit und unsere Vergangenheit zu reden, fällt mir all das viel einfacher. Es muss nicht nur darum gehen, sonst würden wir vermutlich verrückt werden. Doch die Krankheit einfach zu verdrängen, wie Cath es mir riet und wie ich es seit fast zwei Jahren tue, ist definitiv nicht der richtige Weg. Das weiß ich jetzt.
Wir hatten leider einfach zu wenig Zeit. Wie gerne ich das alles nachholen würde.
Langsam ließ ich den Kulli sinken. Ein erschreckender und zugleich nervenaufreibender Gedanke war mir plötzlich in den Sinn gekommen. Durch den Zwischenfall mit Davis Freunden, hatte ich völlig vergessen, ihn nach den MRT Ergebnissen zu fragen. Ich warf einen Blick auf die Uhr. 18:35. Es stand keine Planmäßige Untersuchung an, weshalb ich schnell Stift und Zettel im Nachttisch verstaute, in meine Hausschuhe schlüpfte und über den Flur eilte. Ich durchquerte den langen Flur und bog in den Südtrakt ein. Je Näher ich Davis Zimmer kam, desto höher schlug mein Puls. Vielleicht würde er schon bald gesund sein.
Ich öffnete die Tür, vermutete ihn am Tisch oder auf seinem Bett sitzend, doch der Raum war leer. Verwundert wollte ich gerade umkehren, da entdeckte ich eine gelbe Haftnotitz, ebenso, wie sie auf meinem Geschenk befestigt war. Kurz überlegte ich, ob ich mir den Text durchlesen sollte. Vielleicht war der Text vertraulich. Doch warum sollte er ihn dann so offen auf seinem Tisch liegen lassen?
Ich lief hinüber und griff nach dem Zettel.
Hi Lou,
Ich weiß, dass dir im Laufe der nächsten zwei Stunden einfallen wird, dass du mich etwas wichtiges fragen musst, darum hinterlasse ich dir diese Botschaft. Falls du nicht kommen solltest - auch in Ordnung, dann wirst du diese Nachricht nicht lesen und wir können uns die Peinlichkeit ersparen, dass ich einen Brief geschrieben habe, den nur ich lesen werde. Na gut, gehen wir davon aus, dass du gerade diese Zeilen ließt. Durch das ganze Theater habe ich es selbst fast verdrängt. Und wirklich, eigentlich ist es auch gar nicht so schlimm, schließlich werde ich dir noch einige Wochen auf die Nerven gehen können.
Mein Herz machte einen Satz. Zwei Gedanken schossen in meinen Kopf
Ich hatte den Gedanken nie zu ende geführt, dass Davis schon in Kürze die Klinik verlassen würde, sollte er gesund sein. Was sollte ich bitte ohne ihn machen? In mein altes einsames Leben zurück verfallen?
Der zweite, jedoch noch deutlich schlimmere Gedanke war, dass der verlängerte Aufenthalt von Davis bedeuten könnte, dass der Tumor tatsächlich noch immer da war.
Ich versuchte keinen Gedanken mehr durch das Nachdenken zu verschwenden und beeilte mich weiter zu lesen. Der Zettel bewegte sich in meinen zitternden Fingern.
Ja, sie konnten auf dem MRT noch einige mikroskopische Resttumorgewebe (wow, fühl ich mich gerade schlau, guck mal, wie gut ich aufgepasst habe :)) erkennen, die sie in den nächsten vier Wochen mit der Strahlentherapie behandeln wollen. Gerade haben sie mich gezwungen an der ersten Sitzung und Besprechung dieser Therapie teilzunehmen, damit sie gleich am Montag damit beginnen können.
Mach dir bitte keine Sorgen, so schlimm wird's schon nicht.
Wir sehen uns morgen,
Davis
Halloo!
Ja ihr seht richtig, dass ist das erste mal, dass ich unter einem der Kapitel einen Kommentar verfasse.
Eigentlich hatte ich nie das Bedürfnis, meine zusätzlichen Gedanken zu den Kapiteln zu äußern, aber da jetzt, die ein oder andere Person regelmäßig in dieses Buch hereinschaut (was mich wirklich wahnsinnig freut), dachte ich, ich könnte vielleicht ein bisschen mit euch kommunizieren und habe gleich drei Fragen an euch xD
1. Wie steht ihr zu Alkohol und anderen Drogen?
- Also ehrlich gesagt habe ich selbst (zum Glück) nicht gerade viel Erfahrung damit. Gut, hin und wieder trinke ich mal ein Glas Sekt, aber das ist auch tatsächlich das einzige, was mir schmeckt. Rauchen und andere Drogen finde ich einfach abstoßend und unsinnig.
2. Stört es euch, dass die Kapitel in diesem Buch relativ lang sind?
- Eigentlich bin ich der Meinung, dass sich Bücher um die 1500-2500 Wörter am besten lesen lassen. Das Problem ist nur, dass dieses Buch voraussichtlich genau sechzig Kapitel (also 60 Briefe von Loucy) beinhalten wird und in jedem einzelnen so viel Inhalt und Bedeutung steckt, dass ich es einfach nicht übers Herz bringe, sie zu kürzen oder Inhalte ganz zu streichen. Schreibt mir gerne mal eure Meinung oder Verbesserungsvorschläge dazu (:
3. Halleluja, I'm in love with Davis and Lou. Gut, das ist keine Frage, sondern eine Aussage. Als ich mit dem Schreiben des Buches angefangen habe, hätte ich nie gedacht, dass mir diese, zu Beginn noch simplen, Charaktere so sehr ans Herz wachsen können. Von Kapitel zu Kapitel haben sich die beiden entwickelt und verändert, dass es mir fast schon so vorkommt, als würde ich sie wirklich kennen. (Und mal nebenbei: ich liebe einfach Davis Augen xD )
Soo, das wars von mir.
In dem Sinne wünsche ich euch allen Frohe Weihnachten !
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