7 Aufgelöst
,,Aber du schreibst uns doch, nicht wahr, Sev?"
,,Du meinst wohl eher, dir." Auf die Verbesserung ihres Freundes hin, stieß die Rothaarige ihn in die Rippen und er krümmte sich kaum merklich vor dem kurzen Schmerz.
Manchmal fragte er sich wirklich, warum er sich in diese Frau verlieben musste. Ihr mahnender Blick ließ ihn entschuldigend mit den Schultern zucken und er richtete seinen Blick wieder auf den verhassten Kerl vor ihm, um auf eine Antwort zu warten.
Über den Tumult am Bahnsteig hin hätte die junge Frau Severus sowieso nicht verstanden, weshalb er einfach nickte.
Wie könnte er vergessen, ihr zu schreiben?!
In den vergangenen sieben Jahren hatte er nie auch nur ein einziges Mal vergessen, Lily mindestens einen Brief zu schicken und das würde er auch so fortsetzen. Wenn man den Gerüchten glauben konnte, würde er aber seine künftigen Schreiben ebenso an James, seinen verhassten Mitschüler, schicken, denn er und Lily waren seit Anfang des Schuljahres zusammen gekommen und sollten angeblich nach der Schule zusammenziehen.
Beim Gedanken daran krampfte sich Severus Herz zusammen und er musste schlucken. Nicht nur, dass er sie nun nicht mehr so oft sehen würde, Lily würde ebenso mit dem Mann zusammenziehen, den er am meisten verachtete.
James Potter.
Dieser Mistkerl von einem Gryffindor war ihm schon seit der ersten Klasse ein Dorn im Auge gewesen und seine Abneigung gegen ihn hatte sich von Jahr zu Jahr durch die Schikanen, die Severus durch ihn und seine Freunde erleiden musste, nur verstärkt. Dass James nun mit der einzigen Frau zusammen war, die Sev jemals etwas bedeutet hatte, ließ seinen Hass auf den Potter ins Unermessliche steigen, doch er schwieg.
Zu lang hatte er sich gegen James aufgelehnt und hätte dabei beinahe seine einzige richtige Freundin - und vielleicht noch ein bisschen mehr - verloren. Inzwischen ignorierte er den Gryffindor so gut es ging.
So auch jetzt, denn die höhnischen Kommentare flogen an ihm vorbei und er konzentrierte sich auf diese wunderschönen, grünen Augen, die ihn von Anfang an verzaubert hatten und die ihm jetzt entschuldigend anschauten. ,,Tut mir leid. Ich weiß, dass er ein Idiot -..."
,,Schon gut", unterbrach Sev sie und senkte resigniert den Kopf, ,,Ich weiß ja, dass du Idioten magst, sonst wären wir wohl kaum Freunde."
Sie lachte und ihre Augen blitzten, wie funkelnde Smaragde.
Ein Prickeln erreichte jeden Bereich seines Körpers und wiederwillig verzog auch er das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. Eines, wie er es nur Lily zeigte.
Er hatte sie zum Lachen gebracht! Sie hatte ein schönes Lachen und dass er derjenige war, der es zum Vorschein gebracht hatte, ließ sein Herz schneller schlagen.
Sonst war immer Potter.
,,Kommst du endlich?! Ich will auf keinen Fall mehr Zeit an einem Ort verbringen, der mich an meine Schulzeit erinnert!" James hatte sich von ihnen entfernt, um seine Freunde zu verabschieden und lehnte nun lässig mit den Händen in den Hosentaschen an einem der Pfeiler, um auf Lily zu warten.
Aus der Nähe hatte er ihre Unterhaltung beobachtet, und zwar nichts gehört, doch allein der Anblick seiner Lily, wie sie mit diesem Nichtsnutz von einem Slytherin redete, ließ ihn seinen Kiefer anspannen.
Er würde niemals zugeben, dass er eifersüchtig auf Schniefelus war, aber Lily schien etwas in ihm zu sehen und stand ihm fast so nah, wie James selbst. Das war es, was ihn beunruhigte und dass Snape offensichtlich mehr als Freundschaft für Lily empfand, machte die Situation nicht gerade besser. James konnte es kaum erwarten, endlich mit Lily zusammenzuziehen, sodass sie Snape hinter sich ließ.
Genau das befürchtete Severus auch, weshalb er diesen Moment am Bahnsteig am liebsten nie vorrübergehen lassen wollte. Als sich Lily dann auch noch nach vorn beugte, um sich an seine Brust zu schmiegen, schlang er seine Arme um ihren zierlichen Körper, damit er sie festhalten konnte.
Er wollte die Zeit anhalten und auf ewig hier stehen bleiben, mit ihr im Arm. Umgeben von den weißen Schwaden der roten Lock, sie sich um sie legten, wie ein Tuch, dass sie vor Blicken der anderen schützte.
Mit geschlossenen Augen vergrub er sein Gesicht in ihrem glänzend rotem Haar und zog den Duft von Jasmin ein, der sie immerzu umgab. Ihr Atem brannte heiß an seinem Hals und er spürte das Klopfen ihres Herzens, welches ebenso schnell war, wie seines.
Gern hätte er sie weiterhin so im Arm gehalten, doch zu schnell holte ihn die Gegenwart wieder ein und sie lösten sich voneinander. Es war Zeit, zu gehen.
Eine Armlänge voneinander entfernt schaute sie ihn noch einmal an. In Sevs Blick konnte sie ein Chaos aus Gefühlen erkennen und er öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Etwas, das er sagen musste, bevor es zu spät war, aber ohne ein Wort klappte er den Mund wieder zu und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
,,Ich schreibe dir."
Mit diesen Worten drehte er sich einfach um und schritt mit wehendem Umhang in die Menge, sodass sie ihn trotz seiner großen, schlaksigen Gestalt nach ein paar Wimpernschlägen nicht mehr sehen konnte.
Plötzlich spürte Lily eine seltsame Leere in sich und vergeblich suchte sie mit den Augen nach seinem schwarzhaarigen Schopf, doch er musste Disappariert sein. Enttäuschung machte sich in ihr breit und sie schlug die Augen nieder. Ihr war nicht entgangen, wie schnell sein Herz geschlagen hatte - Ihr eigenes hatte ebenso schnell geschlagen - das tat es immer.
,,Evans?" Die raue Stimme hinter ihr ließ sie herumfahren.
James hatte sich nach Severus Abgang sofort zu ihr begeben und legte nun seine Arme um sie. Es fühlte sich anders an, als von ihrem besten Freund umarmt zu werden. Der Gryffindor war ein wenig größer und seine Statur vom Quidditch muskulöser, aber obwohl seine Wärme sich um sie legte, hatte sie hinter der Geste von Sev mehr Emotionen gefühlt.
Sie könnte sich selbst für ihre Gedanken schlagen, schließlich war James ihr Freund und sie sollte keinem anderen hinterherschauen, und doch...
,,Gehen wir."
Remus Lupin warf seinem ehemaligen Mitschüler dessen Umhang zu und legte eine Hand auf den Türknauf am Ende des Ganges, um aufzubrechen.
Er hatte sich nur schwermütig von seinen Freunden dazu überreden lassen, Snape abzuholen, aber da er seiner eigenen Ansicht nach dem Slytherin etwas schuldete, war er dann doch als Freiwilliger vorangegangen.
Nachdem er in seiner Schulzeit selbst als Vertrauensschüler nichts dagegen unternommen hatte, dass seine Freunde Severus terrorisierten, plagte ihn immer noch ein schlechtes Gewissen. Vielleicht konnte er dieses somit ein wenig entlasten.
Außerdem waren sie inzwischen erwachsen und alte Feindseligkeiten sollten aus dem Weg geschafft werden - auch wenn sich das bereits jetzt als schwierig herausstellte.
,,Verdammt Lupin, wir haben noch Zeit. Im Brief stand, dass wir erst zum Kaffee da sein sollen!" Völlig entnervt zog sich Severus seinen Umhang über und knöpfte ihn zu. Dieser Werwolf würde ihn noch in den Wahnsinn treiben.
Kaum war Lupin in seiner Wohnung aufgetaucht, war er komplett durch den Wind, und da er sowieso schon nervös wegen dem heutigen Tag war, trug dieser Stress nicht wirklich zu guter Laune bei.
Lily hatte ihn und ein paar andere zu ihr und Potter eingeladen, um zu feiern. Was genau der Anlass dafür war, schien ein Rätsel zu sein, doch da er es kaum erwarten konnte, sie endlich wiederzusehen, war ihm sogar die Anwesenheit von Potter und seinen Freunden egal.
Das letzte Mal hatte er sie getroffen, um ihr beim Umzug zu helfen.
Bis vor zwei Jahren hatte sie noch in seiner Nachbarschaft gewohnt, doch als sie und Potter nur ein paar Wochen nach dem Schulabschluss zusammengezogen waren, hatte ihr Kontakt ausschließlich über Briefe stattgefunden. Umso glücklicher war er, dass sie ihn nicht vergessen und ebenfalls eingeladen hatte.
Als er und Lupin endlich in Godric's Hollow ankamen, war es bereits Nachmittag und Severus verfluchte den Werwolf, denn er hatte recht gehabt, dass sie sich beeilen sollten. Der Zeiger der Kirchenuhr zeigte bereits 15 Minuten nach vier.
Das winzige Zaubererdorf im Südwesten Englands war der Innbegriff von Frieden und Ruhe - vor allem jetzt in der Herbstzeit. Es war umgeben von einem Wald, kaum sah man jemanden auf der Straße und die Kinder, die man hier fand, spielten zumeist im Garten oder gingen zur Schule.
Es überraschte Severus, dass Potter an so einem Ort lebte, wo er doch die Aufmerksamkeit und den Trubel geradezu suchte, doch er war sich sicher, dass der Wunsch, hier zu leben, wohl von Lily ausgegangen war.
Lily... Selbst nach den vergangenen Jahren ließ ihr Name sein Herz noch immer höher schlagen und er konnte es kaum erwarten, auch ihre Stimme zu hören und ihr ins Gesicht zu schauen.
Er träumte hin und wieder von ihr, doch er wusste auch, dass sie für ihn unerreichbar war.
Das Haus war sehr einladend und gemütlich. Die Holzfassade verlieh dem Ganzen etwas altertümliches, aus den schmalen Fenstern floss Licht aus den Zimmern und aus einem der beiden Schornsteine stieg Rauch in den schon langsam dunkler werdenden Himmel. Der Garten wurde von einer Mauer umgeben, doch Bäume und Sträucher lugten über die Steine, um einen Blick auf die verlassene Straße zu erhaschen. Das Tor stand offen und führte sie über einen kleinen gepflasterten Pfad zur Tür.
Grinsend beobachtete Remus Snape von der Seite, sodass die Narben über den Gesicht spannten. Ihm war die Aufregung des Slytherin bei ihrem Aufbruch nicht entgangen und es amüsierte ihn, wie eine einzige Person aus dem sonst so kalten Mann einen ganz anderen Menschen machen konnte.
Doch es war eben nur diese eine Person, denn als Snape ihn mit einem Blick über die Schulter beim Lächeln erwischte, erhielt er nur ein vernichtendes Blitzen der schwarzen Augen, das Wasser zu Eis erstarren lassen könnte. Das Grinsen verließ sein Gesicht und er schlug den Blick nieder, bevor er an Snape vorbei in das Haus eilte.
Keine Minute länger könnte er mit diesem Mann allein verbringen.
Mit bereits erhobener Hand wollte er an die Tür klopfen, welche aber augenblicklich aufgerissen wurde und Lupin beinahe auf den Boden gefallen wäre, hätte ihn nicht ein starker Arm zu fassen bekommen und aufgefangen.
,,Nicht so stürmisch, mein Freund."
Sirius Black hatte ein jungenhaftes, spitzbübisches Grinsen auf den geschwungenen Lippen und half dem inzwischen rot angelaufenen Lupin wieder auf die Beine. Sofort machte dieser sich los und brachte Abstand zwischen den Black und sich, stehts darauf bedacht, nicht seinem Blick zu begegnen.
Sev verdrehte über dieses Gehabe nur die Augen und nickte dem schwarzhaarigen Gryffindor knapp zu, bevor er sich an den beiden Rumtreibern vorbei in das Haus schob. Er wollte nicht in ihre kindlichen Spielereien verwickelt werden und außerdem lag seine ganze Konzentration auf einer einzigen Person.
Das Haus hielt, was es von außen versprach.
Es war in warmen Farben eingerichtet und man fühlte sich sofort, wie zuhause. Im Eingangsbereich schmückten Fotos die Wände, die zumeist Potters Clique in alten Zeiten zeigte.
Severus ignorierte das Stechen in seiner Brust. Bei Merlin, warum sollte er wollen, dass andere sein Foto in ihrem Haus hängen haben?! Und warum ausgerechnet Potter?
Er schüttelte den Kopf, um die Gedanken zu vertreiben und ging stattdessen weiter ins Wohnzimmer, wo er auf dem Sofa einen kleinen, rundlichen Mann sitzen sah. Dieser warf immer wieder auffällig unsichere Blicke herum und als sie Severus trafen, zuckte der Mann zusammen.
,,S... Snape", seine Stimme war eine Oktave nach oben gerutscht und erinnerte an seine Animagusgestalt - die einer Ratte, ,,Ich w... wusste nicht, dass du auch kommst."
,,Überraschung."
Sevs kalter, gefühlsloser Ton ließ Peter erneut zusammenfahren und er zog den Kopf ein, sodass er noch kleiner wirkte. Fast musste Severus schmunzeln.
Pettigrew war ein absoluter Feigling. Er benahm sich, als würde Du-weißt-schon-wer vor ihm stehen und ihm drohen. Kein Wunder, dass sich so einer hinter dem Rücken von einem ach so tollen Potter versteckte. Es kam ihm seltsam vor, dass so einer in das Haus des Löwen, des Stolzes und Mutes, gekommen war.
Ohne weitere Kommentare ging der Zauberer weiter, bis auf einmal eine bekannte, weibliche Stimme aus einem Raum zu hören war und er vergaß, zu atmen. Das war sie.
,,James Potter! Nimm verdammt nochmal deine Finger von dem Kuchen!"
Der Schwarzhaarige huschte, wie ein ertapptes Kind, aus der Küche, während er sich die Schlagsahne vom Finger leckte. Als er Severus erkannte, richtete er sich jedoch hastig auf, sah auf den kleineren herab und setzte ein überhebliches Gesicht auf. ,,Du bist also doch gekommen."
Man konnte spüren, wie die Raumtemperatur sank und wie auf Kommando erlosch in der Nähe eine Kerze.
James hatte nicht erwartet, dass Snape ihnen die Ehre erweisen würde, schließlich würde der Grund für ihr Zusammentreffen dem guten, alten Schniefelus ganz und gar nicht gefallen. Selbst nach all den Jahren fand er noch immer an Lily adressierte Briefe von ihm und war sich sicher, dass sich an Snapes Gefühlen für Lily nichts geändert hatte.
,,Warum sollte ich das nicht?", Sev zog scharf eine Augenbraue nach oben und erwiderte den Blick des Gryffindors, ohne mit der Wimper zu zucken, ,,Euer Haustier hat mich ja beinahe hierher geschleift."
Sein Blick flog zu Lupin, der mit Sirius inzwischen im Wohnzimmer angekommen war und immer noch versuchte, sein rot angelaufenes Gesicht vor dem anderen zu verbergen. Würden die beiden es jemals auf die Reihe bekommen?!
James verkniff sich eine spitze Bemerkung darüber, wie Severus seinen Freund bezeichnet hatte und nickte in Richtung der Küche. Sein Tonfall verriet, dass es ihn alles andere als freute, Snape zu Lily zu lassen, doch er überwand sich. Schließlich war er ihr bester Freund und nach den Ereignissen der letzten Tage könnte Schniefelus sie ihm wohl kaum ausspannen. ,,Sie ist drin."
Damit ließ er ihn stehen und ging hinüber zu seinen Freunden, um Moony zu begrüßen und von seiner Scham gegenüber Sirius zu befreien.
Derweil bereitete sich Sev mental darauf vor, Lily zu treffen und richtete noch einmal den Kragens seines Hemdes. Mit rasendem Herzen klopfte er dann an die Küchentür und räusperte sich. Für einen Moment passierte nichts und er atmete noch einmal tief durch, bevor er zu sprechen begann.
,,Lily?" Seine Stimme war beinahe gebrechlich und sie zitterte, während er die Türklinke hinunterdrückte.
Sobald er durch den Rahmen trat, schwang ihm augenblicklich der Duft von Jasmin in die Nase und seine Sicht wurde von roten Locken verdeckt.
Lily fiel ihm in die Arme und drückte sich fest an ihren besten Freund, sodass dieser sich nach kurzer Zeit wegen Luftmangel von ihr lösen musste. Er hielt sie von sich und musterte die Frau, die ihn anstrahlte, als wäre es Weihnachten und Ostern zugleich. Mit dem Lächeln und dem gelben Pullover, den sie trug, hätte man sie glatt mit einer Sonne verwechseln können - einer wunderschönen Sonne.
,,Du bist da! Ich dachte schon, dass die Anwesenheit der anderen dich abschrecken würde."
Ihre Augen funkelten, weshalb Severus zu fokussiert auf diese war, bevor er verstand, was sie gesagt hatte.
,,Denkst du, ich lass mir die Gelegenheit entgehen, dich zu sehen?" Jegliche negativen, die er wegen Potter soeben empfunden hatte, waren mit einem Mal wie weggewischt und eine angenehme Wärme breitete sich in seinem Körper aus.
Ohne Vorwarnung zog er sie erneut in eine Umarmung.
Lily war überrascht, doch sie erwiderte die Geste und lächelte in sich hinein. Sie freute sich, dass sie nicht wieder nur von diesen Idioten umgeben sein würde und Severus bei ihr war. Seit ihrem letzten Treffen hatte er ihr furchtbar gefehlt und dass er an so einem wichtigen Tag bei ihr war, zauberte ihr auch ohne Magie ein Lächeln auf das Gesicht.
Er löste sich von ihr und seine Lippen umspielte ein leichtes Schmunzeln. Diesen Severus, wie nur sie ihn kannte, zu sehen, ließ sie nur noch breiter strahlen.
,,Hilfst du mit, den Kuchen ins Esszimmer zu bringen, sofern James inzwischen nicht die ganze Schlagsahne geklaut hat?"
Lily nahm das Tablett und wollte es soeben Severus in die Hand drücken, als dieser erstarrte.
Verwirrt folgte sie seinem Blick auf ihre Hand.
Alle Freude war verpufft und fassungslos schaute Sev hinunter zu ihrer Hand.
Das feine Glänzen hatte ihn darauf aufmerksam gemacht und nun betrachtete er den goldenen Ring, der an ihrem Finger steckte. Er war mit feinen Linien verziert und ein winziger, roter Stein war darin eingelassen, der die selbe Farbe aufwies, wie das Haar seiner Trägerin.
Die Gedanken an den Kuchen waren verflogen.
,,Ihr seid verlobt?"
Die tonlose Stimme ließ in Lily ein ungutes Gefühl erwachen, doch sie nickte verhalten. Die geschockte Reaktion hätte sie nicht erwartet, auch wenn Severus James nicht mochte. Sie hatte geglaubt, dass sich ihr Freund wenigstens für sie freuen würde, aber er starrte weiterhin unverwandt auf das Schmuckstück an ihrem Ringfinger.
James hatte es ihr vor wenigen Tagen bei einem Spaziergang mit Picknick im Wald geschenkt. Zwar hatte sie gezögert, den Antrag letztlich aber doch angenommen.
Severus hatte davon nichts mitbekommen. Ihm war klar, dass er niemals eine Chance bei ihr gehabt hätte, aber eine Verlobung - das Versprechen einer Eheschließung - war so etwas.... Endgültiges.
Als ihm auffiel, wie deplatziert seine Reaktion war, riss er sich von dem Anblick des Ringes los und versuchte sich an einem gezwungenen Lächeln, was ihm jedoch nicht gelang.
,,Ich dachte, Remus hätte es dir gesagt", flüsterte Lily mit gesenktem Blick und mied es, ihrem Freund in die Augen zu schauen. Dass er verletzt war, konnte man nicht übersehen, aber dennoch verspürte sie den Drang, sich zu erklären. ,,Das heute ist unsere Verlobungsfeier."
Verlobungsfeier... er ließ das Wort ohne Laute auf der Zunge zergehen. Es schmeckte nach Enttäuschung und Eifersucht und löste eine unglaubliche Bitterkeit aus, die ihm die Kehle zuschnürte und das Schlucken erschwerte.
,,Herzlichen Glückwunsch", sogar ein Taubstummer hätte bemerkt, dass diese Worte kaum ernst gemeint waren und Severus sie rein formell sagte, ,,Ich sollte jetzt vielleicht lieber gehen."
Bevor er jedoch einen Schritt Richtung Tür gehen konnte, packte Lily ihn am Arm und zwang ihn somit, sie anzusehen. Sie wollte wissen, weshalb seine Stimmung so schnell umgeschwungen war und dass er schon ging, wollte sie nicht.
,,Warum?" Ihre Stimme war fester, als erwartet, obwohl sich dahinter ein kleiner Riss in ihrem Herzen befand.
Ohne etwas zu sagen, beugte sich Severus nach vorn. Er hatte sowieso nichts mehr zu verlieren und nach dem gerade verdiente sie es, die Wahrheit zu erfahren. Ihre Verlobungsfeier hatte er bereits versaut, da wollte er sie nicht auch noch anlügen.
Es würde letztlich an ihr liegen, ob sie ihn wegstoßen würde. Sie könnte sich ihm entziehen und so legte er einfach nur seine Lippen auf ihre.
Der Kuss war weder fordernd, noch drängte er Lily zu irgendetwas. Sie hätte jederzeit zurückweichen können, doch die Überraschung war zu groß, als dass sie hätte verstehen zu können, was gerade geschah. Außer Stande, sich zu bewegen, ließ sie ihn und erwischte sich sogar dabei, wie in ihrem Bauch Schmetterlinge erwachten und sich ein wildes Flattern in ihrem Inneren entfaltete.
Severus legte alle seine Gefühle in diesem einen Kuss, denn er war alles, was er hatte.
Liebe, die er die ganze Zeit über für Lily empfunden hatte und es noch immer tat.
Angst, davor, was nach diesem Kuss passierte.
Bedauern, dass er es ihr nicht vorher gesagt hatte.
Sehnsucht, nach ihr und der Vergangenheit, wo er immerzu gehofft hatte, dass sie seine Gefühle erwiderte.
Erkenntnis, dass er in diesem Moment ihre bisherige, freundschaftliche Beziehung zerstörte und dass dies hier ein Abschied war.
Zurück ließ er eine verwirrte Lily, welcher die Lippen von dem Kuss eben noch kribbelten und in deren Kopf das Knallen der Haustür nachhallte, während er hinaus in die kühle Herbstluft eilte.
Ihr Blickfeld war verschwommen und sie wollte sich an der Arbeitsplatte festhalten, um nicht den Halt zu verlieren, doch sie verfehlte das Holz und sackte auf dem Küchenboden zusammen. Tränen rannen ihre vom Kuss erhitzten Wangen hinunter. Sie hatte einen Fehler gemacht!
Warum war es ihr nie aufgefallen?
Warum hatte sie ihn jetzt einfach so gehen lassen?
Und was sollte sie jetzt tun, wo sie doch wusste, dass er sie auch liebte?
Auf all diese Fragen konnte sie keine Antwort finden und sie stellte sie auch nicht an die Jungs, die sie kurz darauf in der Küche fanden. Weinend und völlig...
Aufgelöst.
Severus traute seinen Augen nicht, als er den Titel der Klatschzeitung las, die der Verkäufer ihm lautstark anzupreisen versuchte. Er zwickte sich selbst, doch die Buchstaben blieben nach, wie vor so, wie sie waren.
Das konnte nicht sein!
Es war knapp ein Monat vergangen, seit er Lily geküsst und ihre Freundschaft scheinbar für immer zerstört hatte. Kein Wort, kein Brief, nicht mal ein Lebenszeichen hatte er von ihr bekommen und fürchtete bereits, sie hätte ihn schon aus ihrem Kopf verbannt. Inzwischen hätte sie Potter heiraten können und Severus hätte nichts davon mitbekommen.
Jeglicher Tumult, der sich durch die Winkelgasse zog und Sev wegzuspülen drohte, verschwamm zu einem rauschenden Meer und er las den Titel immer und immer wieder.
,,BEZIEHUNGSDRAMA? Potter und Evans VERLOBUNG AUFGELÖST!"
MagicalContest
3441 Wörter
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