Der Auftrag
Es war eigentlich ein Job wie jeder andere. Aber in „Pinchs" Augen bedeutete das nicht viel.
An der Akademie hatte sie gelernt, dass Söldner, die für die Komm-Konzerne arbeiteten, hervorragend bezahlt wurden. Wer diesen Weg einschlug und sich als fähig erwies, konnte reich nach Hause gehen. Sie selbst hatte dies gemerkt, kurz nach ihrer ersten Mission, wie lukrativ diese Karriere sein konnte. Doch das setzte eines voraus: dass überhaupt Aufträge und Missionen eingingen. Und das war für die „Unicorn Riders", die einem strengen Kodex folgten, der selbst gestandenen Metallern die Augenbrauen hochtrieb, nicht selbstverständlich. Kate Lipinsky und die anderen folgten dem Prinzip, dass sie die Guten waren und für die Schwachen eintraten. Aber außerdem waren sie keine Auftragskiller – Gewalt war für sie der letzte Ausweg und nicht das allgemeine Mittel.
Das schränkte aber auch die Missionen ein, die Kate gewillt war, für die „Unicorn Riders" anzunehmen – die meisten, die auf dem Auftragsbrett verfügbar waren, drehten sich darum, einzelne Personen oder ganze Teams zu eliminieren. Nicht einmal „tot oder lebendig" war eine gängige Anforderung. Stattdessen hieß es meist „Beweis für das Ableben, gerne ein direktes Körperteil", was „Pinch" naturgemäß ausgesprochen eklig fand. Was ihr aber außerdem auffiel, nachdem sie die Aufzeichnungen der bisherigen Missionen der „Unicorn Riders" betrachtet hatte: Seitdem sie beigetreten war, war die Anzahl der Kampfeinsätze der gesamten Gruppe deutlich zurückgegangen.
Das gab ihr zu denken. Sie wusste, dass es eine Zeit gedauert hatte, bis sie an der Akademie als vollwertige Söldnerin akzeptiert worden war, und es hatte einen harten Kampf gegen drei hochgefährliche Kriminelle gebraucht, um ihr den nötigen Respekt zu verschaffen. Doch das war eigentlich der Grund, weshalb die „Unicorn Riders" sie aufgenommen hatten – weil sie ihre Fähigkeiten unter Beweis gestellt hatte. Auch die „Unicorn Riders" akzeptierten und respektierten sie. Die meisten zumindest – Ballsey Kent vermutlich eher weniger. Dennoch, es schien, als würde Kate mit Absicht nur die weniger gefährlichen Aufträge annehmen, die sich auch ohne Gewalt lösen ließen, nur um „Pinch" dadurch zu schützen.
Lag es an ihrem Alter? Mittlerweile war sie fünfzehn Jahre alt, und die „Unicorn Riders" hatten sie vor gut einem Jahr in ihre Reihen aufgenommen. Das bis dato jüngste Mitglied der Gruppe, die Sanitäterin Jessica van Ness, war knapp jünger als Tammy. Also war „Pinch" in jeder Hinsicht das Küken. Ein Grund mehr, dass sie in jeder Mission vollen Einsatz zeigte, um zu beweisen, dass sie trotz ihres Alters in der Lage war, ihren Soll zu erfüllen. Und bislang hatte das, was sie geleistet hatte, die anderen sogar beeindrucken können. Nicht nur, dass sie alles bei sich jeder bietenden Gelegenheit lernte, was die anderen ihr zeigen konnten – Ben Dawson und Julietta Donna im Speziellen, die ihr den Umgang mit Waffen noch besser vermittelten, als die Akademie es jemals getan hatte – sondern auch in den Aufträgen, die sie angenommen hatten. Sie gab 100 Prozent bei jedem Auftrag, den sie bekam.
So auch dieses Mal. Dieser Auftrag war wichtig für das Team – die Anführer der Metaller-Stadt Turunen hatten ihn erteilt, in der Hoffnung, dies zu einem guten Ende bringen zu können. Es war ungewöhnlich, dass Metaller auf Söldner zurückgriffen, um diese Arbeit zu erledigen, aber dieser Fall war ohnehin speziell. Der Mann, den sie jagten, hatte in der Stadt Chaos verursacht und andere mit Blendgranaten angegriffen, die für Metaller verheerend wirkten. Die übrigen Hintergründe kannte „Pinch" nicht, sie wusste nur, dass dieser Mann der Gerechtigkeit überführt werden sollte. Dieses Mal lautete auch der Auftrag nicht „tot oder lebendig" oder einfach nur „Beweis des Ablebens", nein. Dieses Mal wollten sie ihn lebend.
Und es hätte funktionieren müssen. Sie hatten den Auftrag professionell aufgezogen, hatten die Umgebung genau studiert, hatten ihr Ziel ausfindig gemacht und es umstellt. „Pinch" konnte sich einfach nicht erklären, was danach schief gegangen war. Das Ziel war ihnen entkommen und aus der Stadt geflohen. Sie hatten die Verfolgung aufgenommen – bis zu dem Punkt, an dem keiner außer „Pinch" ihm mehr folgen konnte.
Nun war sie hier. Alleine. In der Finsternis, die lediglich von ihrer eigenen kleinen Lampe durchschnitten wurde. Die engen Tunnel unter dem Eis des kalten Planeten New Wacken ließen ihr kaum genug Platz, sich umzudrehen, aber sie bewegte sich entschlossen vorwärts. Es gab nur den einen Weg, den ihr Gegner genommen haben konnte. Sie würde ihn finden. Sie würde es zu Ende bringen.
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