Kapitel 1 - Perfect
[Perfect - Ed Sheeran]
Aufgeregt renne ich durch das Hotelapartment, mein T-Shirt nur halb über den Kopf gezogen und mein Atem so laut wie eine Dampfmaschine. «Ed! Ed!», schreie ich in die Richtung, in der ich mein Bruder vermute. «Ed?» «Was ist los?», fragt er, als er endlich seinen Kopf aus der Küche streckt. Seine roten Haare stehen ihm wie wild in alle Himmelsrichtungen ab, seine Brille hängt etwas schief im Gesicht. «Hast du meine Socken gesehen? Und wo habe ich meinen Rucksack hingelegt? Kannst du mir etwas zu Essen machen?» Ed lacht nur und lehnt sich ganz entspannt an den Türrahmen, als hätten wir alle Zeit der Welt. Er vielleicht, aber ich nicht. «Hol mal tief Luft, Alex. Von wo sollte ich bitte wissen, wo du deine Sachen hingelegt hast? Aber ja, ich kann dir ein Sandwich machen. Wann müssen wir fahren?» Ich befolge den Rat meines Bruders und nehme einmal tief Luft, bevor ich weiterrede. «Danke, ich liebe dich Ronald Weasley. Wir fahren in zehn Minuten, bis dann habe ich vielleicht sogar mein Portemonnaie gefunden.» Ed grinst nur sein typisches Weasley Grinsen, dem er seinen Spitznamen verdankt, dann verschwindet er wieder in die Küche. Ich drehe mich um und entdecke meine Socken, einer auf dem Sofa, der andere vor dem Schlafzimmer. Wie ich die vorher nicht sehen konnte, ist mir ein Rätsel. Sobald ich die blauen Ravenclaw Socken trage, mache ich mich auf die Suche nach meinem Rucksack.
Fünfzehn Minuten später sitzen Ed und ich in dem gemieteten Ford und fahren zur Queen Elisabeth Hall. Nicht etwa um die Queen von England, sondern die Queen meiner Träume zu treffen. "...it's going down, I'm yelling timber, you better move, you better dance...", singt Ed zum Radio mit. Normalerweise würde ich ebenfalls mitsingen, aber heute bin ich zu aufgeregt. Ich muss mich richtig beherrschen, nicht auf dem Beifahrersitz auf und ab zu hüpfen. «Denkst du nicht, ich hätte doch mein anderes Shirt anziehen sollen?», will ich von Ed wissen. Mein Bruder unterbricht seinen Gesang mitten im Song und sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. «Dein Ernst, Alex?» Ich verziehe meine Lippen zu einem Schmollen. «Ja.» Lachend schüttelt er seinen Kopf und richtet seine Aufmerksamkeit wieder zurück auf die Strasse. «Nein, hättest du nicht. Du liebst das Shirt, dann wird es Rowning auch lieben.» «Rowling», korrigiere ich ihn. «Wie auch immer» Er seufzt nur. Egal wie viele Male ich von Harry Potter und J.K. Rowling rede, Ed kann sich nie die Namen merken. Aber dafür kennt er auch zehntausende Sänger und andere Stars, von denen ich noch nie in meinem Leben gehört habe.
«Autoren lieben Fanart, glaube ich.», versuche ich mich selbst zu überzeugen und streiche mein T-Shirt glatt. Tatsächlich habe ich es selbst designt und drucken lassen, genau wie etwa fünfzehn weitere Motive. Vor etwa einem halben Jahr habe ich eine App entdeckt, mit der man die tollsten Motive für Shirts und Pullover selber machen kann. Meine Freunde und Ed haben mich überredet, die designten Kleidungsstücke herstellen zu lassen und sie über eine Internetseite zu verkaufen. Ganze vier Monate lang hatte ich nur zwei Kunden, einer davon war meine beste Freundin, dann, ganz plötzlich, kamen unzählige Bestellungen auf einmal rein. Dadurch konnte ich mir ein ganz schönes Taschengeld verdienen, dass ich jetzt dazu investiert habe, zu einem Buch Signing zu gehen. Es ist nicht gerade billig, die Autorin von Harry Potter zu treffen. Meiner Partnerin in Crime war es leider zu teuer, daher bin ich jetzt ganz auf mich alleine gestellt. Ich habe ihr aber versprochen, viele Fotos zu machen und alle Einzelheiten zu erzählen.
Während der restlichen Autofahrt versucht mich Ed von meinen Gedanken abzulenken, in dem er mir seinen neusten Song vorsingt. Ein richtig kitschiges Liebeslied, das er für seine Freundin geschrieben hat. Aber der Titel des Liedes passt wenigstens zum heutigen Tag. Ich behaupte aber nicht, dass Eds Freundin «perfect» ist, schliesslich hat sie noch kein einziges Harry Potter Buch gelesen. Aber nach Ed zählt das nicht als Makel.
Cherry, seine Freundin, wird es lieben, auch wenn es für mich etwas schnulzig ist. Ich bin nicht ein allzu grosser Fan von langsamen, kitschigen Liedern und halte nicht vor Kritik zurück, das weiss Ed auch. Deshalb fragt er mich immer, was mir an seinen Songs nicht gefällt. Konstruktive Kritik, oder so. Heute überrede ich Ed sogar die Lyrics an einer Stelle zu wechseln. Jetzt heisst es: «barefoot on the glass» statt «barefoot on the grass». Just kidding - natürlich kann ich Ed nicht dazu überreden. Als könnte jemand das. Den Rest des Weges singe ich daher seinen Song in verschiedenen, schlecht gedichteten Versionen und bringe Ed fast zu einem Nervenzusammenbruch, aber das ist nichts Neues. Geschwisterliebe halt.
Und dann, endlich, kommen wir zum Southbank Centre, mitten in London. Die Tatsache, dass es bis zur Queen Elisabeth Hall nur noch Meter geht, bringt mich fast zum Zittern. Nach fast neun Jahren als Potterhead, treffe ich unsere Queen. Ed beobachtet mich belustigt, seine gute Laune ist wieder zurück. Schweigend betrachte ich das Gebäude durch das Autofenster und warte darauf, dass Ed endlich einen Parkplatz findet. Bei der Anzahl von Autos und Leuten, viele davon offensichtlich Potterheads, dauert es echt mega lange. Als er anhält, trage ich meinen kleinen Rucksack schon, bin nicht mehr angegurtet und sprungbereit. «Viel Spass und pass' auf dich auf!», wünscht mir mein Bruder. Ed lächelt mich breit an. Ich nicke aufgeregt. «Ach und Alex, bitte nimm heute Mal ein Taxi zurück zum Hotel, wenn es spät wird. Ich trage die Verantwortung für dich, solange du hier bist. Ich will nicht, dass dir was passiert.» Ich nicke erneut und lehne mich zu ihm, um meinem Bruder einen kleinen Kuss auf die Wange zu drücken. Dabei verkneife ich mir ausnahmsweise einen Kommentar zu den nervenden Bartstoppeln. Ich versuche meinen Bruder schon seit Wochen davon zu überzeugen, dass Bärte out sind – es sei denn, man heisst Dumbledore. «Werd' ich. Hab' dich lieb.» «Ich dich auch.», antwortet Ed, dann steige ich aus dem Auto und mache mich auf dem Weg zu meinem Siebten Himmel.
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