002
Die Straßen waren verlassen, nur das gleichmäßige Surren des Motors und der leise Wind begleiteten uns, während wir durch die Dunkelheit fuhren. Die Welt außerhalb des Vans war in Finsternis gehüllt, unterbrochen von gelegentlichen Schneeflocken, die im Licht der Scheinwerfer tanzten. Ich hielt das Lenkrad mit beiden Händen umklammert, meine Gedanken kreisten um die Mission und die Kathedrale, die irgendwo da draußen im Schatten auf uns wartete.
Jo saß neben mir, ihre Beine angewinkelt, ihr Blick auf die Mappe in ihren Händen gerichtet. Sie hatte das Licht der kleinen Leselampe eingeschaltet und blätterte mit ernster Miene durch die Notizen, die ich über Wochen zusammengetragen hatte.
»Das hier ist kein kleiner Fall, oder?« sagte sie schließlich, ohne den Blick von den vergilbten Seiten zu heben.
Ich seufzte leise. »Nein, das ist es nicht. Und ehrlich gesagt, wäre ich lieber allein hier unterwegs.«
Jo warf mir einen Seitenblick zu, ihre Augen funkelten herausfordernd. »Na, zum Glück hast du nicht die Wahl, hm?«
Ich schnaubte leise, konnte mir aber ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Sie war stur, das musste ich ihr lassen. »Lies weiter. Vielleicht verstehst du dann, warum ich so besorgt bin.«
Sie nickte und zog den alten Zeitungsartikel aus der Mappe. Ihre Finger glitten über das vergilbte Papier, und sie las die Schlagzeile laut vor: »Das Flüstern des Heiligen Artefakts – Legende oder Gefahr?« Ihre Stimme wurde leiser, als sie das Bild darunter betrachtete. Es zeigte eine kunstvoll gearbeitete, mit Runen bedeckte Box, die auf einem Altar thronte.
»Das ist das Artefakt?« fragte sie, beinahe ehrfürchtig.
»Das ist es. Oder wahrscheinlich eher das was dort drin ist.«, bestätigte ich und richtete den Blick wieder auf die Straße. »Legenden erzählen, dass es eine Art Verbindung zur Hölle herstellen kann – eine Brücke, die Dämonen und anderen Wesen erlaubt, ungehindert in unsere Welt zu gelangen. Es war Jahrhunderte lang verloren, bis es kürzlich jemand gefunden hat. Und, na ja... derjenige hat nicht lange überlebt.«
Jo schluckte hörbar und legte den Artikel zurück in die Mappe. »Und du denkst, das Ding ist jetzt in der Kathedrale?«
»Ich weiß es nicht«, gab ich zu und drehte am Lenkrad, als wir auf eine schmale, unbefestigte Straße abbogen. »Aber es gibt zu viele Hinweise, die darauf hindeuten. Berichte über Dämonenaktivitäten in der Gegend haben stark zugenommen, und die Kathedrale selbst hat eine dunkle Vergangenheit. Sie wurde vor Jahrhunderten aufgegeben, aber es gibt Gerüchte über Rituale und seltsame Vorkommnisse dort.«
Jo lehnte sich in ihrem Sitz zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Klingt wie der perfekte Ort für einen Familienausflug.«
»Willkommen in meinem Alltag.«, murmelte ich trocken und warf ihr einen kurzen Seitenblick zu.
Die Bäume wurden dichter, und die Straße verwandelte sich in eine holprige Schotterpiste. Es schien, als würde die Dunkelheit um uns herum noch tiefer werden. Schließlich erreichten wir eine Lichtung, und die Kathedrale erhob sich vor uns, wie ein düsterer Koloss aus einer anderen Zeit.
Ich parkte den Van in sicherer Entfernung und schnappte mir meine Ausrüstung: Pistole, Messer, Salz und eine kleine Taschenlampe. Jo tat es mir gleich und schulterte ihren Rucksack. »Plan?« fragte sie leise, ihre Augen auf die Kathedrale gerichtet.
»Wir gehen rein, sehen uns um und versuchen, das Artefakt zu finden – wenn es überhaupt hier ist.« Ich drehte mich zu ihr um und fixierte sie mit einem ernsten Blick. »Aber wenn es gefährlich wird, ziehst du dich zurück. Keine Diskussionen.«
Jo schnaubte leise und verdrehte die Augen. »Schon klar, Boss.«
Wir näherten uns der Kathedrale, unsere Schritte waren kaum mehr als ein Flüstern auf dem Schnee. Die hohen, zerbrochenen Fenster glichen dunklen Augen, die uns beobachteten, und die massiven Steintüren standen halb offen, als würden sie uns einladen.
Drinnen war es still. Eine Stille, die so dicht war, dass sie fast greifbar wurde. Unsere Schritte hallten auf dem kalten Steinboden wider, während der modrige Geruch von Verfall und altem Holz die Luft erfüllte. Der Mondschein fiel durch die zerbrochenen Fenster und malte silberne Muster auf die vergessenen Bänke und den verwitterten Altar.
»Das fühlt sich falsch an«, flüsterte Jo hinter mir, ihre Stimme angespannt.
Ich nickte, ohne zu sprechen. Mein Blick wanderte über die Schatten, die sich in den Ecken zu bewegen schienen, und ich konnte das Kribbeln in meinem Nacken nicht ignorieren. Irgendetwas beobachtete uns.
Plötzlich blieb Jo stehen und packte meinen Arm. »Jules«, flüsterte sie, ihre Stimme kaum hörbar. »Da vorne. Siehst du das?«
Ich folgte ihrem Blick und sah es: ein schwaches, pulsierendes Licht, das aus einem Nebengang kam. Es war so subtil, dass man es leicht übersehen konnte, aber es war da – eine Einladung oder eine Warnung.
Mein Herzschlag beschleunigte sich, und ich zog meine Pistole. »Bleib dicht hinter mir«, befahl ich leise, und wir schlichen auf das Licht zu.
Doch bevor wir näher kommen konnten, änderte sich die Luft um uns herum. Sie wurde schwer, kalt, fast erstickend. Es fühlte sich an, als würde uns etwas unsichtbares beobachten, näherkommen.
Und dann hörte ich es: Schritte. Schwer und langsam, näherten sie sich uns aus der Dunkelheit.
Jo zog ihre Waffe und flüsterte: »Wir sind nicht allein.«
Ich schüttelte den Kopf. »Bleib ruhig. Beweg dich nicht.«
Die Schritte hallten immer näher, und mein Herz schlug schneller, als ich die Waffen in meinen Händen fester umklammerte. Jo stand dicht hinter mir, die Schultern angespannt, bereit für das, was auch immer aus der Dunkelheit auf uns zukommen würde.
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