Die Saat der Liebe
"W-Was...?"
Tygrans erschrockene Stimme holte Dani zurück in die Wirklichkeit. Schnell rückten beide voneinander ab, die Gesichter rot wie Tomaten.
"Ä-Ähm...", stotterte Dani unbeholfen. Er hätte schließlich auch nicht gedacht, dass er dazu fähig war, Tygran einfach so zu küssen! Heilige Scheiße, das hatte er ja richtig verbockt...
"W-Warum hast du das gemacht...?", quiekte Tygran mit weit aufgerissenen Augen und berührte ungläubig seine Lippen. Dani war nicht wirklich in der Lage etwas zu sagen, er hatte kaum die Schmetterlinge in seinem Bauch unter Kontrolle...
"Ähm... ausversehen! N-nur ausgerutscht, uh... Ich meine du magst ja Mädchen und ich ja auch, deswegen..." Dani räusperte sich ungelenk. Was laberte er da für eine gequirlte Scheiße? Er hatte Tygran deutlich geküsst, mit einem Ausrutscher hatte das absolut nichts mehr zu tun.
"O-Oh, klar... Ja, ein Versehen. I-Ich muss wieder zurück zum Hof!" Tygran verschluckte sich beinahe als er sich hektisch aufrappelte, seine Augen blickten nervös umher und seine Wangen waren immer noch knallrot. Doch bevor Dani etwas erwidern konnte war Tygran auch schon abgezischt.
Na toll... Da hatte er die Chance auf einen Neuanfang gehabt und er musste es direkt vermasseln. Er wusste zwar nicht genau wie Tygran den Kuss wahrgenommen hatte, aber nach seiner Unschuld gehend, konnte Dani sogar darauf hoffen, dass er es möglicherweise doch als Unfall abstempelte.
Aber was ihn verwunderte... Warum war Tygran nicht schon vorher zurückgezuckt...? Als Dani seine Hand auf seine Wange gelegt hatte? Er erinnerte sich an Tygrans riesige Pupillen, wie nah sich ihre Gesichter gewesen waren... So nah...
Erschöpft erhob Dani sich vom Boden. Hoffentlich würde das Ganze am Montag wieder vergessen sein.
Natürlich trat das Gegenteil ein. Tygran mied ihn zwar nicht wie zuvor, aber ihre Gespräche beschränkten sich auf ein Minimum. Nichts war mehr so wie vorher und auch Dani benahm sich anders. Er bemerkte es zwar nicht, aber der Kuss schien in beiden etwas ausgelöst zu haben. Eine Woche verging und keiner hatte den anderen zu sich nach Hause eingeladen, geschweige denn mehr als fünf Worte pro Tag gewechselt. Sam war natürlich immer in ihrer Mitte und durch sie entwickelte sich ab und zu auch ein richtiges Gespräch, aber sobald die beiden allein waren, lag eine Spannung in der Luft.
Und das machte Dani todunglücklich. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er sich verliebt, doch seine Liebe blieb unerwidert. Und es war... Liebe, dessen war Dani sich beinahe sicher. Jede Nacht erinnerte sich an den Kuss, immer öfter träumte er von Tygran. Manche Träume waren schön... Er küsste ihn oder lachte... sie lagen zusammen in einem Bett...
Allerdings hatte Dani auch eine Menge Albträume, die ihn jedesmal schweißgebadet aufwachen ließen. Tygran, wie er ihn anbrüllte und schlug. Wie er ihm sagte, dass er nie wieder etwas mit Dani zu tun haben wollte und ihn als Schwuchtel bezeichnete.
Dani fühlte sich richtig schlecht. Die Albträume überwogen irgendwann und unter seinen Lidern bildeten sich dunkle Augenringe. Doch Tygran schien es nicht besser zu gehen. Jedes Mal wenn Dani in der Nähe war, strahlte er eine nervöse Energie aus und zuckte auch nur bei der kleinsten Berührung zusammen.
Tygrans und sein Arm hatten sich immer berührt, wenn sie in der Schule an ihren Schreibtischen saßen. Da Tygran Linkshänder war, war es häufiger vorgekommen, dass er und Dani sich kleine Duelle geliefert hatten, wer den Arm des anderen vom Tisch schieben konnte. Tygran hatte natürlich immer gewonnen, aber da seine Schrift eh schon so krakelig war, hätte es wahrscheinlich keinen Unterschied gemacht, hätte Dani miteingegriffen.
Doch das alles hatte sich geändert. Tygran zog neuerdings seinen Arm immer ein und rückte so weit es ging an die Wand. Als Dani an einem Morgen sah, dass er ihre Tische ein wenig auseinandergeschoben hatte, fühlte er, wie etwas in ihm zerbrach.
Und es tat weh. Genauso wie wenn er Tygran mit Maria sah. Die Tussi schmiss sich immer noch an ihn ran, obwohl viele angefangen hatten Tygran zu meiden, seitdem es ihm so schlecht ging.
Doch die beiden aßen zusammen in der Kantine und unterhielten sich, während Dani sich auf die Lichtung zurückzog. Er verstand es nicht. Er konnte allein an Tygrans Gesichtsausdruck erkennen, dass er an Maria überhaupt nicht interessiert war. Wieso zum Teufel unternahm er auf einmal so viel mit ihr?!
Wütend schlug Dani gegen den Maschendrahtzaun zur Lichtung. Warum tat das alles so verdammt weh?! Warum konnte es nicht so einfach sein wie der Rest seines Lebens? Dani hatte noch nie zuvor ein Hindernis überwinden müssen und klar, wenn man den meisten Leuten überlegen war, wurde man nunmal schnell egoistisch. Und das entfachte eine Wut in ihm. Er war schon immer ein Hitzkopf gewesen und stürmte einfach los ohne vorher nachzudenken. Das sollte ihm jetzt scheinbar zum Verhängnis werden.
"Dani! Was machst du denn da?"
Dani hatte gar nicht bemerkt, wie Sam sich ihm erschrocken von der Lichtung genähert hatte.
"Lass mich in Ruhe", knurrte er griffig. Er hatte keine Lust auf ein Gespräch.
"Dani... Du kannst mir ruhig erzählen was passiert ist." Sam sah ihn an mit ihren Hundeaugen und einem Schmollen. Wie immer konnte sie ihn perfekt lesen.
"Hey, komm her." Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn auf die Lichtung. Im Laufe des Spätherbstes wurde sie immer kahler, das vertrocknete Laub häufte sich auf dem Boden und es sah nicht mehr wirklich aus wie ein geheimer Ort.
"Nein, ich brauche sowas jetzt nicht. Wirklich nicht!", protestierte Dani und zog seine Hand weg.
"Du bist in ihn verliebt, oder?"
"Ich- Was?!" Dani sah sie geschockt an. Was zum Teufel?! Konnte sie Gedanken lesen??
"Ach Dani, ich bin doch nicht blind." Sam lächelte ihn beruhigend an.
"Nein, Blödsinn! Wie kommst du auf so was?! Ich bin doch nicht schwul!!", beschwerte er sich sofort lautstark. Sie zog eine Augenbraue hoch.
"Außerdem habe ich deine "Gründe warum ich Tygran ins Bett bekommen sollte"- Liste gefunden."
"Verdammt, die hab ich doch nur in meinem Kopf so genannt!", grummelte Dani und drehte sich weg.
"Aber... du willst ihn küssen? Das ist so süß! Ich wusste, du bist ein Romantiker!", quietschte Sam dann und hängte sich an seinen Arm.
"Ich hab ihn geküsst!", seufzte er.
"Wirklich?! Details!!"
"Nein! Keine Details! Er will seitdem nichts mehr mit mir zu tun haben!", erwiderte Dani leicht gereizt und Sam wurde sofort still.
"Oh... Ach deswegen benehmt ihr euch so komisch. Aber... du darfst noch nicht aufgeben, Dani!", versuchte sie ihn aufzumuntern.
"Wie jetzt aufgeben? Was soll ich denn machen? Ihn anschwulen??"
"So ein Wort gibt es gar nicht! Mann, Dani! Seit wann bist du so ein Weichei?! Geh zu ihm und gesteh ihm deine Gefühle!!" Sam sah ihn böse an und boxte ihm leicht in die Schulter.
"Wozu soll das gut sein? Es gibt keine schwulen Russen!", widersprach Dani laut.
"Pfff, also wirklich! So wie Tygran dich ansieht, wenn du nicht hinguckst, wage ich das zu bezweifeln!"
"Wie... Echt jetzt?" Dani spürte wie ihm bei dem Gedanken auf einmal warm ums Herz wurde.
"Ich hab genug Yaoi Mangas gelesen, um diesen Blick zu erkennen!", beteuerte Sam und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Komm mir jetzt nicht mit dem Scheiß... Außerdem hängt Tygran doch ständig mit Maria rum...", grummelte er.
"Ach ja? Weißt du was ich denke? Nach eurem scheinbar nicht so romantischen Kuss ist ihm aufgefallen, dass er dich wohl doch lieber mag als gedacht. Und da er das nicht einsehen will, macht er sich jetzt natürlich an das nächstbeste Mädchen ran! Also, ranmachen in dem Sinne, wie wir Tygran kennen... Das Dramatischste wird wohl Händchen halten sein..." Sam rollte mit den Augen.
"Aber das will ich nicht! Ich will nicht, dass er mit Maria zusammenkommt!", empörte Dani sich lauthals.
"Ganz ehrlich, das hätte aber auch ein Move von dir sein können. Ich bin ziemlich überrascht, dass du dich nicht drei Wochen lang in deinem Zimmer eingesperrt und durchgehend No Homo gemurmelt hast..."
"Das hilft mir jetzt auch nicht weiter! Außerdem bin ich nicht schwul, Tygran ist eine Ausnahme!", keifte Dani.
"Ja, ja... Aber wenn du Tygran für dich gewinnen willst, musst du ihm beweisen, dass es sich durchaus lohnt mit dir zusammen zu sein und nicht mit Maria! Du musst ihn überzeugen, dass das was er fühlt echt ist! Ich glaube nämlich ihr seid beide einfach nur zu stolz, um euch eure Gefühle einzugestehen!"
"Ob das funktioniert...", seufzte Dani skeptisch.
"Dani! Hast du jetzt Eier, oder nicht??" Sie gab ihm einen kräftigen Schubser nach vorne, woraufhin er überrascht stolperte. Hatte sie das gerade wirklich gesagt??
"Mach den Mund wieder zu und hol dir Tygran! Wenn du nämlich so cool bist, wie du immer vorgibst zu sein, dann bin ich mir sicher, gewinnst du ihn für dich! Also hol ihn dir zurück!"
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